Hamburg. Im Podcast „Vier Flaschen“ wurden diesmal besondere Weine von Martin Gojer eingeschenkt. Einer verändert sogar seinen Geschmack.

Das Wichtigste vorweg: Die Leserinnen und Leser des Hamburger Abendblatts können am 13. August um 19 Uhr erstmals live (und natürlich absolut Corona-gerecht) an unserer Reihe „Vier Flaschen“ teilnehmen – und zusammen mit Weinkenner Michael Kutej, Riesling-Liebhaber und Abendblatt-Chefredakteur Lars Haider und Biertrinker Axel Leonhard vier Flaschen von einem der besten deutschen Winzer probieren: Philipp Wittmann gibt sich die Ehre, verkostet werden ein Grauburgunder, zwei Rieslinge und eine Scheurebe.

Und so sind sie dabei: Einfach eine E-Mail an chefredaktion@abendblatt.de mit der Adresse schicken, an die wir die Weine und den Zugangscode für die gemeinsame, digitale Verkostung schicken können. Um daran teilnehmen zu können, brauchen Sie nur einen Computer oder ein Handy. Die Weine kosten inklusive Versand und der Teilnahme an der 90-minütigen Sendung mit Philipp Wittmann 65 Euro.

Diesmal nur drei Flaschen Wein im Test

Einen Vorgeschmack im wahrsten Sinne des Wortes gab es bei der aktuellen Folge von „Vier Flaschen“, die eine ganz besondere war (zu hören unter www.abendblatt.de/podcast, zu sehen auf dem YouTube-Kanal des Hamburger Abendblatts, zu lesen alle zwei Wochen an dieser Stelle): Michael Kutej hatte Axel Leonhard und Lars Haider aufgetragen, die diesmal nur drei (!) Flaschen, einen Weiß- und zwei Rotweine, schon am Morgen zu öffnen, zu dekantieren und dann wieder zurückzufüllen: „Das wird diesmal etwas ungewöhnlich.“

Lars Haider (v.l. oben, Chefredakteur Hamburger Abendblatt), Axel Leonhard (Videoredakteur Hamburger Abendblatt), Martin Gojer (Winzer aus Südtirol) und Michael Kutej (Weinkenner und Geschäftsführer der Hanse-Lounge in Hamburg) testen die Weine.
Lars Haider (v.l. oben, Chefredakteur Hamburger Abendblatt), Axel Leonhard (Videoredakteur Hamburger Abendblatt), Martin Gojer (Winzer aus Südtirol) und Michael Kutej (Weinkenner und Geschäftsführer der Hanse-Lounge in Hamburg) testen die Weine. © Axel Leonhard / FUNKE Foto Services

Was auch an dem Winzer lag, den Kutej eingeladen hatte: Martin Gojer sieht aus wie ein Surfer, benennt seine Weine nach seinen Kindern und trickst auch schon mal die Prüfbehörden in Südtirol aus. Vor allem ist er aber ein Winzer, der sich wirklich als Landwirt sieht, „am liebsten in den Weinbergen und nicht so gern im Keller ist“.

Er lebt in Bozen in Südtirol, betreibt dort das kleine Weingut Pranzegg, knapp vier Hektar, und macht das meiste noch per Hand: „Wir haben nicht mal einen Trecker, der uns hilft.“ Im Schnitt produziert er im Jahr 25.000 Flaschen Wein.

Weißwein ist ein Mix aus Sauvignon Blanc und Chardonnay

Und ja, er könnte deutlich mehr verkaufen, nicht nur in die Nachbarländer, sondern auch in die USA oder nach Japan, aber: „Wenn wir wachsen, kommen wir in eine Spirale, ohne zu wissen, ob es überhaupt das ist, was wir wollen. Wir sind ja sehr glücklich so, wie es im Moment ist. Und ich bin lieber im Weinberg als auf einer Messe in London, wo ich Werbung machen muss.“

Flasche eins ist ein sogenannter Gemischter Satz, das heißt: Der Wein kommt von einem und demselben Weinberg, auf dem unterschiedliche Rebsorten stehen. In unserem Fall hat Gojer die Rebstöcke in den Jahren 2004 und 2007 gepflanzt und zum ersten Mal zwei Jahre später geerntet.

Drei Fragen an Michael Kutje:

  • Ich schneide einen Korken immer in der Mitte durch, um damit dann die Flaschen wieder zu verschließen. Kann man das machen? Michael Kutej: „Es hilft schon, die Flasche mit dem Korken zu verschließen. Ich würde aber vorschlagen, den ganzen Korken wieder reinzudrücken. Einfacher geht es mit Plastikkorken, mit denen habe ich gute Erfahrungen gemacht.“
  • Ich habe im Laufe der vergangenen Jahre mehr als 500 Korken gesammelt. Was soll ich damit machen? Michael Kutej: „Früher gab es Stellen, bei denen man die Korken abgeben konnte und sogar noch Geld dafür bekommen hat. Ich sammele sie auch und gebe sie gern an Kindergärten, dort wird damit gebastelt. Meine Kinder haben mal eine Krippe aus Korken gemacht, eine Freundin ein Bällebad. Ich finde es wahnsinnig schade, wenn die Korken einfach weggeworfen werden.“
  • Wie kriegt man Rotweinflecken aus einem hellen Teppich wieder raus? Michael Kutej: „Ich habe gute Erfahrungen mit Sodawasser gemacht, andere berichten davon, dass Salz helfen oder dass man Rotweinflecken mit Weißwein herauskriegen kann.“

Der Weißwein besteht im Wesentlichen aus Sauvignon Blanc und Chardonnay, sie machen zwei Drittel aus: „Wir schreiben die Sorten aber extra nicht auf das Etikett, weil wir wollen, dass die Menschen den Wein einmal vorurteilsfrei trinken können.“ Und wie schmeckt „Caroline“, Jahrgang 2017, der Winzer hat den Wein nach seiner elf Jahre alten Tochter benannt?

Der Wein duftet nach Rosen, später nach Maracuja

„Ich habe einen extremen Rosenduft, der Geruch erinnert mich an indisches Gericht“, sagt Michael Kutej. Das ändert sich mit der Zeit: Als am Ende der „Vier Flaschen“ der Wein noch einmal eingeschenkt wird, hat er sich stark verändert, schmeckt auf einmal nach Maracuja. Und genau das sei seine besondere Stärke: „Der Wein wandelt sich, wenn er mit Luft in Kontakt kommt und wenn man ihm Zeit gibt. Er ist wie alle Lebewesen“, so Gojer-Pranz­egg. „Den Wein kann man mehrere Wochen offen haben und trinken, da geht eine ganze Weltgeschichte ab.“

Der Bozener Winzer Martin Gojer da, wo er am liebsten ist: in seinem Weinberg .
Der Bozener Winzer Martin Gojer da, wo er am liebsten ist: in seinem Weinberg . © Weingut Pranzegg

Haider hatte übrigens vergessen, die Flasche kalt zu stellen, was für eine Verkostung aber nicht schlimm sei, so Kutej. Im Gegenteil: „Je kälter der Wein ist, desto weniger zeigt er oft von sich. Je wärmer der Wein ist, desto klarer werden Fehltöne sichtbar. Wenn wir professionell verkosten, tun wird das eigentlich nie aus dem Eis heraus.“

Zur zweiten Flasche, die ein besonderes Etikett hat: Denn der Name des Weines, eines Vernatsch aus dem Jahr 2017 (in Deutschland vergleichbar mit einem Trollinger), ist geschwärzt, man sieht nur ein C und ein A. „Das ist ein Protest-Etikett“, sagt der Winzer. C und A sind die ersten Buchstaben von Campill, einer Lage direkt neben seinem Weingut. „Wir haben den Wein seit 2009 dort angebaut. 2015 wurde die Lage geschützt, wir durften den Namen nicht mehr benutzen und hatten umgehend Besuch von Kellereiinspektoren, die gar nicht lustig drauf waren“, sagt Gojer.

Rotwein schmeckt würzig nach Wacholder und Nelken

Er sei sehr freiheitsliebend und habe sich als Zeichen des winzerischen Ungehorsams entschlossen, den Namen nicht zu ändern, sondern nur zu schwärzen – was in Südtirol dann so durchging. Michael Kutej schmeckt Wacholder, Nelken, „etwas Würziges, mit einem ganz feinen Tannin: Viele Menschen mögen Rotwein nicht, weil das Tannin so dominant ist. Hier ist das völlig anders.“ Und damit nicht genug: „Das ist der beste Trollinger beziehungsweise Vernatsch meines Lebens!“

Vernatsch habe von Natur aus relativ wenig Tannine, „und wir versuchen das zu unterstützen“, sagt Gojer, der biodynamisch arbeitet: „Wir wollen nicht aus einem Leichtgewicht ein Schwergewicht machen. Und wir haben eine ganzheitliche Betrachtung von dem, was wir tun.“ Heißt, dass nicht nur die Trauben, sondern auch die Stiele mitverarbeitet werden: „Die Frucht besteht ja, wie der Mensch, nicht nur aus dem Fleisch, sondern auch aus den Knochen.“

Bei der dritten Flasche muss nichts geschwärzt werden, sie heißt wie Gojers Sohn „Laurenc“, ein Lagrein aus dem Jahr 2016: „Lagrein ist eine sehr aromatische Rebsorte, die vor allem im Norden Italiens recht bekannt ist“, sagt Michael Kutej. „Ich schmecke Schattenmorelle und Marzipan, der Duft ist betörend und der Wein trotzdem noch sehr, sehr jung.“