Hamburg. Warum sind Mosel-Weine oft günstiger als Tropfen aus anderen Regionen? Zu Gast: Winzer Jörg Thanisch aus der Nähe von Traben-Trarbach.

Warum sind die Weine von der Mosel so viel billiger als die aus den meisten anderen Regionen in Deutschland? Und schmecken die überhaupt? In unserer Reihe „Vier Flaschen“ (zu hören unter www.abendblatt.de/Podcasts, zu sehen auf unserem YouTube-Kanal) machen Michael Kutej, Inhaber der Hanse Lounge und Weinkenner, Lars Haider, Abendblatt-Chefredakteur und Riesling-Liebhaber, sowie Axel Leonhard, Filmemacher und (eigentlich) Biertrinker, heute den Test mit drei unterschiedlichen Weinen von Mosel-Winzer Jörg Thanisch.

Los geht es mit einem besonderen Spätburgunder, einem Blanc de Noir, übersetzt: Weißwein aus roten Trauben. Wir lernen: Aus der Rebsorte Spätburgunder kann man sowohl einen Rotwein als auch einen Rosé und eben einen Weißwein machen. Wie geht das? „Die roten Trauben werden so gepresst, dass nur der Saft austritt und die Farbstoffe, die in der Schale sitzen, zurückbleiben“, sagt Thanisch. Er stellt den weißen Rotwein erst seit fünf Jahren her und ärgert sich fast, dass er nicht früher darauf gekommen ist: „Dieser Wein liegt total im Trend. Viele Menschen suchen ja nach Alternativen zum Riesling, weil sie mit dessen Säure nicht klarkommen, und da bietet sich der Blanc de Noir an.“ Der stammt aus dem Jahr 2019 und schmeckt nach Kirsche, Erdbeere und Litschi (!), die Flasche kostet 8,20 Euro – ein erstes Indiz dafür, dass die Preise an der Mosel andere sind als anderswo. Aber dazu später mehr.

Feinherb ist das frühere halbtrocken

Die zweite Flasche ist ein Riesling Thanisch Tribut 2019, und der soll laut Thanisch ein Einstieg in die Welt der Rieslinge sein, „die ja gerade einen große Renaissance erleben“, und das zu Recht: „Riesling ist die Königin der Weißweinsorte, das Gleiche gilt für den Spätburgunder bei den Rotweinen.“ Michael Kutej erzählt, dass gerade Menschen in Norddeutschland Probleme mit der Säure bei Rieslingen haben: „Ein Problem, das sich wie bei diesem Wein mit etwas mehr Zucker lösen lässt, weil man die Säure dann nicht so spürt. Dadurch wird der Riesling relativ mild und harmonisch.“ Und er hat einen Geschmack, den jeder aus seinen Kinderzeiten kennt: Wer ein paar Schlucke trinkt, fühlt sich an Pfirsich-Weingummi von Haribo erinnert. Kann man damit aus Riesling-Gegnern Riesling-Liebhaber machen? „Man darf die Leute, die zum ersten Mal einen Riesling probieren, nicht überfordern. Unsere Erfahrung ist, dass wir mit so einem Wein tatsächlich auch die Masse erreichen können“, sagt Thanisch. Ach ja, der Preis: 8,50 Euro.

Das macht Lust auf Wandern und gute Tropfen: Blick vom Weingut  Thanisch auf die Mosel.
Das macht Lust auf Wandern und gute Tropfen: Blick vom Weingut Thanisch auf die Mosel. © PR

Aus Flasche Nummer drei kommt ein 2018 Niederberg Helden Riesling Spätlese feinherb, soll heißen: Es wird noch süßer. Feinherb ist das frühere halbtrocken (siehe „3 Fragen von Lesern“) und signalisiert: Dieser Wein ist ein eher süßer. Spätlese ist eine Qualitätsstufe, die Reihenfolge: Kabinett, Spätlese, Auslese, Beerenauslese, Trockenbeerenauslese, Eiswein. „Bei den Spätlesen steht meistens der Zusatz ,trocken‘ nicht dabei, und dann weiß man: Es ist feinherb“, sagt Kutej. Und, wie schmeckt er? Wieder nach vollreifem Pfirsich, wieder nach Kindheitserinnerungen. Ein Wort reicht, um den Wein zu beschreiben: „Eisbonbon“, sagt Kutej. „Gletschereis.“

3 Fragen von Lesern

  • Wie viele Gläser Wein sollte man am Abend trinken, ohne seine Gesundheit aufs Spiel zu setzen?
    Jörg Thanisch: Es ist ein Unterschied, ob man einen Wein mit sieben oder 13 Prozent Alkohol trinkt. Wir machen es zu Hause so: Meine Frau trinkt ein Glas und ich den Rest der Flasche.



Michael Kutej: Wenn du zwei Gläser Wein am Tag trinkst, bist du faktisch schon Alkoholiker. Das ist zu viel. Man muss wirklich aufpassen. Wenn ich eine Flasche Wein über ein paar Tage trinke, ist das aus meiner Sicht in Ordnung. Wichtig ist auch, dass man dazwischen zwei oder drei Tage gar keinen Alkohol trinkt. Schwierig wird es, wenn man jeden Abend das dringende Bedürfnis hat, etwas zu trinken.

  • Welche Weinsorte ist die beliebteste der Welt?
    Thanisch: Weltweit wird am meisten Chardonnay angebaut. In Deutschland wird aktuell vor allem über Riesling gesprochen, aber die Masse trinkt Grauburgunder.
  • Was bedeutet die Bezeichnung feinherb?
    Thanisch: Feinherb ist das, was früher halbtrocken war. Seit wir in Deutschland die Bezeichnungen getauscht haben, werden feinherbe Weine wieder viel mehr gekauft, obwohl sie nicht anders schmecken als früher.

  • Für Thanisch war der heiße Sommer 2018 übrigens ein Ausnahmejahrgang, „besser geht es nicht, damals hat wirklich alles gestimmt“. Zumindest für die Weinbauern an der Mosel. Und die sind offenbar, Thanisch sagt es im Spaß, „ganz, ganz bescheiden“. Denn auch die Spätlese ist mit 11,20 Euro vergleichsweise günstig. „Ich verstehe nicht, wie die Weine von der Mosel so preiswert sein können“, sagt Michael Kutej. „Die Kosten werden doch so sein wie in anderen Regionen, die viel mehr Geld für ihre Produkte verlangen.“ Thanisch sagt: „Das stimmt, und deshalb müssen langsam auch unsere Weine teurer werden.“

    Klassiker unter den Rotweinen

    Eine Zeit lang sei der Weinanbau an der Mosel vernachlässigt worden, aber „allmählich holen wir auf“, sagt Thanisch: „Spätestens in einer Generation wird der Wein von der Mosel weltweit wieder den Ruf haben, den er einmal hatte.“ Im Moment sei es gerade bei jungen Leuten eher „unsexy, einen Riesling von der Mosel“ zu trinken, ergänzt Kutej, was zum Teil auch an den etwas biederen Etiketten auf den Flaschen aus der Region liege.

    Von der Mosel nach Italien, zu einem Klassiker unter den Rotweinen: einem Chianti Classico der Cantine Certosa di Pontignano, Jahrgang 2015. Der Tipp von Kenner Kutej: „Wenn man vor so einem Rotwein eine feinherbe Spätlese getrunken hat, sollte man nicht nur das Glas vinieren, sondern auch mit einem Schluck Chianti im Mundraum spülen und diesen wieder ausspucken.“ Der Wein hat etwas Animalisches, man schmeckt Zedernholz und Pflaumenkompott mit einer leichten Vanillenote. Die Flasche kostet um die 14 Euro.