Ist es wirklich das Fest der Liebe – mit allem drum und dran? Die Hamburger Sexualtherapeutin Katrin Hinrichs weiß Rat.

Bei dem einen geht es um Rechtsmedizin und Kriminalfälle, bei dem anderen um unser aller Sexualleben. Immer im Wechsel finden Sie an dieser Stelle das Beste aus zwei unserer erfolgreichsten Podcasts. Heute das Thema bei „Ich frage für einen Freund“, dem Sex-Podcast für Erwachsene mit Moderator Hajo Schumacher und der Hamburger Sexualtherapeutin Katrin Hinrichs: Ist Weihnachten wirklich ein Fest der Liebe – mit allem drum und dran?

„Ho, ho, ho, liebe Katrin“, beginnt Schumacher, „kommen vor dem Fest eigentlich auch Leute in deine Praxis, die Kugeln und Baum nicht so richtig zusammenkriegen?“ Hinrichs weiß, worauf ihr Gesprächspartner hinauswill: „Gerade an diesen Tagen haben die Leute eine wahnsinnige Erwartungshaltung. Doch woran liegt das eigentlich?“ Viele denken, sie müssten Weihnachten auch noch sexuell besonders aufladen, dabei sei der Kopf rund um das Organisieren von Geschenken, Feiern und Familie eh schon voll bis obenhin. „Ich mache in meiner Praxis dann klar, dass der Körper wie eine Ampel ist, bei der es nicht nur untenrum grün sein muss, sondern auch oben im Kopf und in der Mitte, also im Herzen.“

Bezogen auf die Situation an Weihnachten könne es deshalb sinnvoll sein, sich das geplante Feuerwerk in der Hose für Silvester aufzuheben und zunächst erst einmal für etwas Harmonie im Haus zu sorgen. „Ruhe im Stall – und raus aus den Stressroutinen“, sagt Schumacher, „das rät auch meine Frau, die Psychologin ist. Am besten, man geht Heiligabend eine Stunde in den Wald.“ Das sei zwar eine schöne Idee, meint Hinrichs, sie hat aber eher die klassische Familienaufstellung vor Augen, wo dafür wahrscheinlich keine Zeit ist.

Fiese Kritik macht oft viel kaputt

Nötig wäre mitunter aber ein Perspektivwechsel, gerade wenn es auch schon vor dem Fest nicht mehr sonderlich zur Sache ging. „Es gibt ein gutes Sprichwort: Lauf doch mal in den Mokassins des Partners.“ Das bedeute, dass man auch die Belastungssituation des anderen reflektiere, vielleicht gerade an Weihnachten. Wie war ihr Jahr? Was hatte er sich erhofft? Wie machen sich die Kinder? Und was schwebt – wie Corona – womöglich über allem?

Wenn die gegenseitige Empathie im Laufe der Zeit auf der Strecke bleibt, sei es natürlich auch beim Sex und der Körperlichkeit nicht anders. „Ich habe mit Heinz-Dieter, der mit kalten Füßen und vollgeschlagenem Bauch neben mir liegt und vor sich hin schnuffelt, keinen Sex, wenn der mich seit drei Monaten kaum noch angeguckt hat“, sagt Hinrichs, „null!“ Diese Lage realistisch zu beurteilen, gehöre in jedem Fall dazu. Und die schon häufiger erwähnte Erkenntnis, dass eine fiese Kritik oft mehr kaputtmache, als sich mit fünf positiven Äußerungen reparieren lässt. Aber: „Man sollte dem Partner gegenüber so gerecht sein, nicht immer nur aufzuzählen, was er oder sie alles nicht gemacht hat – sondern auch, was vielleicht ganz gut war.“

„Wir wollen in dieser Folge ja zum Thema Sex kommen, doch davor möchte ich mit den Emotionen etwas aufräumen“, sagt Hinrichs. Schumacher möchte wissen: „Weißt du, was die brutalste, liebevollste und zugleich entwaffnendste Frage ist, die man sich in genau dieser Situation stellen kann?“ Sie lautet: „Was brauchst du?“ Niemand rechne mit so einer Frage, sondern höchstens mit Vorwürfen.

Zu Weihnachten ist Lob besonders wichtig

Eine Klientin habe ihr neulich erzählt, dass sie bei einem abendlichen Wein von ihrem Mann das erste Mal richtig gelobt worden sei, sagt Hinrichs. „Das war der Knall im All. Darauf warten die seit zwei Jahren!“ Und nun hätten die beiden sicher auch ein gutes Weihnachten.

„Dieses Gefühl, dem anderen nicht zu genügen, ist der größte Killer“, weiß Schumacher. Und wenn man der oder dem anderen dieses Gefühl nimmt – „und zwar nicht, indem du noch mehr kochst, noch teureren Wein herzauberst, noch mehr tolle Geschenke machst“ – und signalisiert: „Du genügst mir, so wie du bist“, dann kommt automatisch auch diese nötige und neue Gelassenheit. Aber viele fragen sich: Wie geht das?

Weihnachten sei eine Zeit, in der man mit Anerkennung und Lob gar nicht verschwenderisch genug umgehen könne, rät Hinrichs. Aber dabei sollte man es nicht belassen, denn auch im Rest des Jahres seien ehrliche Zuwendung und echtes Verständnis für eine gute Beziehung überlebenswichtig. „Wenn es bei einem Paar ernste Schwierigkeiten gibt, höre ich am Ende immer wieder einen kurzen Satz: ,Ich werde nicht geliebt.‘“ Lasse sich das umkehren, erwachse aus der seelischen Intimität dann irgendwann fast von allein eine körperliche Intimität.

Was man hingegen auf keinen Fall tun sollte: unvermittelt einen Kasten mit Sexspielzeug und ähnlichem erotisierenden Gedöns unter den Weihnachtsbaum legen, wenn in der Beziehung ansonsten schon keinerlei Wunderkerzen mehr flackern. „Oh, tolle Handschellen – und eine Puderquaste!? Das wird nicht funktionieren. Erst mal gute Stimmung machen, das ist das Allerwichtigste“, sagt Hinrichs. „Das Ziel ist klar, und dann konkret werden. Ich möchte heute mit dir küssen – und zwar so, dass du nicht mehr weißt, wie du heißt.“

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