Hamburg. Sexualtherapeutin Katrin Hinrichs erklärt den Begriff Vaginismus und was ein verkrampfter Beckenboden damit zu tun hat.

Bei dem einen geht es um Rechtsmedizin und Kriminalfälle, bei dem anderen um unser Sexualleben. Immer im Wechsel finden Sie an dieser Stelle das Beste aus zwei unserer erfolgreichsten Podcasts (zu hören auf www.abendblatt.de/podcast).Heute das Thema bei „Ich frage für einen Freund“, dem Sexpodcast für Erwachsene mit Moderator Hajo Schumacher und der Hamburger Sexualtherapeutin Katrin Hinrichs: Was tun, wenn der Sex Frauen Schmerzen bereitet?

Die Expertin führt zunächst einmal einen Begriff ins Gespräch ein, den viele Männer vermutlich noch nie gehört haben: Vaginismus. „Was ist das?“, fragt Schumacher, der sich zwar vorstellen kann, dass es sich um ein spezifisches Problem der Frauen handelt, bloß um welches, ist ihm und seinem Freund, für den er hier eigentlich fragt, unklar. „Geht es darum, dass beim Geschlechtsverkehr nicht genügend Feuchtigkeit im Spiel ist?“

Männern wurde geraten, immer eine Nadel in die Tasche zu stecken

Hinrichs antwortet: „Die meisten Leute denken, es geht um einen Scheidenkrampf. Und dass dann der Penis steckenbleibt.“ Dazu hat sie eine Anekdote aus den USA der 1950er-Jahre parat: „Damals wurde allen Männern geraten, immer eine Nadel in die Tasche zu stecken. Warum wohl?“

Er kenne die Geschichte anders, sagt Schumacher, und zwar von der Tour de France: „Dort haben die Radrennfahrer früher Sicherheitsnadeln benutzt, um sich bei Wadenkrämpfen ins Bein zu stechen, damit der Entlastungsschmerz den Muskel wieder löst.“ Aber man könne doch nicht einfach einer Frau „da unten hineinpiken“…

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„Du machst jetzt meine ganze Geschichte kaputt“, stöhnt Hinrichs. Der Tipp mit der Nadel sei ihres Wissens in Zeiten des Autokinos entstanden, als die jungen Frauen und Männer in den Wagen Sex gehabt hätten. Und wenn dann plötzlich einer an die Scheibe klopft, hätte der Schreck womöglich dazu führen können, dass der Penis wie mit einer Zange in der Scheide festgehalten wird – „wie das auch bei Hunden mal passiert“. Abhilfe, so zumindest der damalige Glaube, hätte dann „erst ein kleiner Stich in den Po der Allerliebsten“ bringen können.

Verspannung der Beckenmuskulatur bringt Frauen großes Leid

„Tatsächlich geht es aber um eine Verspannung der Beckenmuskulatur“, erklärt Hinrichs, „die gibt es wirklich, und es ist eine große Leidensgeschichte für die Frauen.“

Sie fordert Schumacher auf, mit der einen Hand eine Faust zu machen und dann zu probieren, den Finger der anderen Hand hineinzustecken. „Geht nicht“, sagt er. Und versteht sofort, wo das Problem liegt.

Perfektionismus, Stress, Angst sind Hauptursachen beim Vaginismus

„Ist beim Vaginismus auch Angst im Spiel oder Scham?“, möchte Schumacher nun wissen. „Ja, ganz große Angst“, antwortet Hinrichs, „und ich beobachte das zunehmend bei jungen Frauen. Die haben aber teilweise noch mit niemanden darüber gesprochen. Manche Menschen haben ihre Verspannungen im Nacken, andere im Beckenbodenmuskel. Doch gerade die jüngeren, hyperangespannten Frauen verstehen das nicht und fragen mich dann nach den Gründen, ob es vielleicht an einem Trauma liege oder so.“

Perfektionismus, Stress, Angst – das seien die Hauptursachen beim Vaginismus. Dagegen könne man aber etwas machen, zum Beispiel mit einer speziellen Beckenbodenphysiotherapie. „Ich kann das mentale Training in meiner Praxis übernehmen, aber für den Beckenboden empfehle ich dann einen Spezialisten“, sagt Hinrichs. Schumacher hat dazu „eine praktische Frage: Der Beckenboden ist ja da, wo die Beine am engsten verbunden sind. Fängt der Physiotherapeut oder die Physiotherapeutin dann an, dort mal so rumzufummeln?“

Spezielle Übungen, um Beckenboden zu trainieren

Hinrichs: „Nein, da gibt es spezielle Übungen, und es geht darum, Vertrauen in sich und seinen Körper zu entwickeln.“ Das bringe oft gute Erfolge.

Sei das also dann doch eher „eine Mischung aus Physio- und Psychotherapie“, fragt Schumacher. „Genauso ist es“, sagt Hinrichs. „Und das wollte ich heute in dieser Folge mal bekannter machen.“

Was könnten denn die Männer beitragen, fragt Schumacher zum Abschluss? „Verständnis haben“, sagt Hinrichs. „Und beim Sex nicht immer gleich nur an Penetration denken, sondern auch mal an Alternativen.“