Hamburg. Sexualtherapeutin Katrin Hinrichs erzählt Hajo Schumacher von Männern, die Schwierigkeiten mit Berührungen haben – und was hilft.

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Los geht das Gespräch zwischen Moderator Hajo Schumacher und der Hamburger Sexualtherapeutin Katrin Hinrichs diesmal ohne langes Vorspiel. Hinrichs berichtet von einem Mann zwischen 40 und 50, der „gut aussah und sogar mit Krawatte“ ihre Praxis aufsuchte, dann aber etwas herumdruckste: Er habe Sexprobleme – und vielleicht nie so wirklich gelernt, wie man mit Frauen richtig umgehe in Sachen Körperlichkeit.

Hinrichs versteht das Problem sofort, denn sie weiß: „Viele Männer in diesem Alter sind noch anders sozialisiert worden, das ist oft eher noch so die Generation einsamer Wolf oder der Typ Indianer, der keinen Schmerz kennt.“ Und die hätten dann Probleme mit Berührungen und seien oft sehr angespannt, auch wenn sie durchaus mal Sex hätten, aber eben keinen guten.

Mit solchen Aussagen fällt bei Hinrichs allerdings selten ein Mann gleich ins Haus. „Ich lasse mir da erst mal genau beschreiben, wie es im Schlafzimmer aussieht, ob das Licht an ist, ob sich die beiden gegenseitig ausziehen oder jeder für sich“, erklärt die Sexualtherapeutin. Und da berichtete der Mann, zu Hause sei seine Frau „nur noch mit Yoga unterwegs“, Sex werde eher wie eine Pflichtübung gesehen und fände nur noch „normal“ statt.

Was ist beim Sex eigentlich normal?

„Was ist denn normal?“, will Schumacher sofort wissen. Hinrichs antwortet: „Das habe ich ihn auch gefragt, denn mit dem Wort kann ich wenig anfangen. Aber das war halt seine Art der Umschreibung.“ Deshalb habe sie das Gespräch „zum Akklimatisieren“ zunächst auf einen anderen Punkt gelenkt und sich erkundigt, in welcher Branche der Mann tätig ist. „Er war kein Anwalt oder so, sondern in der Schifffahrt.“ Da sei ihr dann gleich das passende Bild eingefallen, wie es um die Körperlichkeit zwischen ihm und seiner Frau bestellt sein könnte: „Wie zwei Schiffe im Nebel.“ „Ja, ich fürchte, Sie haben genau recht“, habe der Mann geantwortet.

Dass Hinrichs versucht, solche Bilder abzuleiten, findet Schumacher pfiffig: „Was hättest du bei einem Schreiner gesagt? Wie zwei Bretter im Regen?“ Hinrichs lacht: „Wer weiß, was ich da gesagt hätte ...“ Sie wisse nie vorher, was sie im Gespräch sage, aber wenn der Klient dadurch gelöster werde, habe sie schon einmal das Eis gebrochen. „Und dann habe ich gehört, wie der das so macht zu Hause.“ Das Paar arbeite sich eher an einem Schema ab, „mit Reibung und hoher Körperspannung“, aber Lust auf mehr mache das alles wohl nicht, und zwar auf beiden Seiten.

Schumacher grätscht dazwischen und will eine Geschichte loswerden. „Es gibt einen Zusammenschluss von Männern, der nennt sich Malevolution. Das sind nicht so Kerle, die sich als Scheidungsopfer sehen und zu Frauenhassern werden, sondern solche, die erst mal für sich kapiert haben, dass sie mit ihrer Männlichkeit ein Problem und manches zu eng gesehen haben.“

Auch Männer leiden unter dem Patriarchat

Und diese Männergruppe habe eine digitale Konferenz abgehalten, bei der die Autorin Ilan Stephani zu Gast war, die sich selbst „Körperforscherin im Bereich Sexualität“ nennt und zur Recherche zwei Jahre lang im Bordell tätig war. Sie habe dabei festgestellt, dass nicht nur Frauen unterm Patriarchat leiden, sondern ebenso auch viele Männer. Schumacher: „Als sie das ausgesprochen hat, war unter den zugeschalteten Männern regelrechte Erleichterung zu spüren.“ Denn dass „Mann sein“ auch viel Druck, Einsamkeit und Unsicherheit bedeute, werde viel zu oft mit „Heldengeschichten“ überdeckt.

„Großartig“, kontert Hinrichs. „Hast du früher mal James Bond weinen sehen? Heute ist das möglich! Wir Frauen wollen gar nicht immer solche Typen haben, bei denen oberflächlich alles super ist.“ Es gebe auch bei ihnen vielmehr einen ganz großen Bedarf an Berührungen. „Was gibt es da alles?“, fragt Hinrichs – und antwortet gleich selbst: „Man kann zum Beispiel in die Apotheke gehen, ein Mandelöl kaufen und damit dann weitaus mehr als nur die Schulter massieren.“

Dabei, und das ist der Expertin wichtig, gehe es keineswegs nur um das stumpfe Stimulieren der Klitorisperle, die dann womöglich überreizt werde, sondern auch um die Vulvalippen und den Bereich drumrum. Und das Ganze gerne in rhythmischen Bewegungen und mal auf und ab. „Es sollte so sein, dass die Erwartung immer Stück für Stück hochgezogen wird.“

Was "Tippen" bei einer erotischen Massage bedeutet

Dann gebe es eine Methode, die sie „Tippen“ nenne, sagt Hinrichs. Das kennt Hajo Schumacher offenbar, es sei vergleichbar mit jemandem, der sich am Morsealphabet versuche, aber so zehn Mal kurz und zehn Mal lang. Hinrichs schmunzelt: „Ja, die Klitoris ist ein so wundervolles Organ, zum Spaßmachen und Wohlfühlen. Und sie ist viel größer als die Perle.“ Auch über den ausgeübten Druck könne man dabei kommunizieren, Worte seien womöglich eher kontraproduktiv. Aber, so Hinrichs: „Manchmal ist es für die Frauen schwieriger, so zu nehmen als zu geben.“

Da hat dann Schumacher noch einen „sachdienlichen Hinweis“ parat: „Eine Freundin von uns gibt seit einigen Jahren regelrechte Handwerkskurse für Frauen und Männer, bei denen diese ihren eigenen Körper kennenlernen.“ Aber das mache sie nicht explizit, sondern nutze dafür zum Beispiel aufgeschnittenes Obst wie eine halbe Apfelsine. „Daran kann man schon einiges illustrieren“, sagt Schumacher.

Würden Männer mehr über den Körper der Frauen wissen und vielleicht auch Frauen über den Körper der Männer, werde die Sicht von Paaren schnell klarer, sodass die Metapher der zwei Schiffe im Nebel irgendwann überholt sei. Schumacher plädiert deshalb beim Sex „für einen Konsens: Wir wollen nicht so schnell wie möglich fertig werden, sondern etwas ausprobieren und uns dafür Zeit lassen.“ Dafür, so Hinrichs, sei das Mandelöl geradezu ideal.