Hamburg. Das Thema von Moderator Hajo Schumacher und Sexualtherapeutin Katrin Hinrichs in dieser Folge: Pornografie.

Bei dem einen geht es um Rechtsmedizin und Kriminalfälle, bei dem anderen um unser aller Sexualleben. Immer im Wechsel finden Sie an dieser Stelle unter dem Rubrum „Sex&Crime“ das Beste aus zwei unserer erfolgreichsten Podcasts. Heute dran ist „Ich frage für einen Freund. Der Podcast für Erwachsene“ – mit Moderator Hajo Schumacher und der klinischen Sexualtherapeutin Katrin Hinrichs. Das Thema der beiden: Pornografie.

Klären wir die entscheidende Frage gleich vorab: Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Erotik, Sex und Pornografie? Erotik ist gut, Sex noch besser und Porno eklig?

„Ich will das nicht werten. Es hängt davon ab, wie man Pornofilme einsetzt. Eins ist aber klar: Wir kommen heute an Pornografie nicht mehr vorbei, weil sie überall und kostenlos zu bekommen ist“, sagt Katrin Hinrichs. Eine Zahl: 43 Prozent aller Internetnutzer konsumieren pornografische Inhalte – „Anwesende natürlich ausgeschlossen“, sagt Schumacher.

Noch mehr Fakten: 60 Prozent der 13-jährigen Jungs hätten entsprechende Filme schon einmal gesehen, bei den 18-Jährigen seien es 80 Prozent, so Hinrichs: „Ich sage immer, dass die Jungen in dieser Zeit ein Skript anlegen, wie Sex funktionieren soll – und zwar lange bevor sie selbst ihre ersten sexuellen Erfahrungen im richtigen Leben machen.“

Heißt das, dass die jungen Männer später nachspielen, was sie in den Filmen gesehen haben? Hinrichs: „Auf jeden Fall besteht die Gefahr, dass sie komplett falsche Vorstellungen von Sex bekommen.“

Katalog an Leistungsanforderungen

Wenn man jüngere Männer und Frauen frage, warum sie denn Pornos anschauen würden, bekäme man meist als Antwort: Wir müssen doch wissen, was das jeweils andere Geschlecht von uns erwartet. „Das finde ich bedenklich und schwierig“, sagt Hinrichs. „Den jungen Leuten sitzt ein wahnsinniger Katalog an Leistungsanforderungen im Nacken, der mit der Realität wenig zu tun hat.“ Sie müssten schlank sein, muskulös, rasiert am ganzen Körper, „und dann müssen sie auch noch wissen, was sie genau tun sollen“. Hinrichs’ jüngste Klientin in ihrer Praxis war 16 Jahre alt, „die wollte vor allem wissen, was sie mitmachen muss und was nicht“.

Bei den Männern gehe der Beratungsbedarf so ab 20 Jahren los: „Die hatten sich Sexualität über Pornos beigebracht und dann Probleme, als sie das erste Mal tatsächlich mit einer Frau zusammenkamen.“

Hajo Schumachers Freund, für den er Katrin Hinrichs ja all die Fragen stellt, hat zu dem Themenkomplex zwei Theorien. Nummer eins: Pornos sind hin und wieder ganz gut, um die Fantasie anzuregen, auch bei Paaren. Nummer zwei: Pornos regelmäßig anzuschauen ist wie eine Droge, die Intensität muss ständig erhöht werden, es wird immer härter und schlimmer.

„Dein Freund ist relativ gut aufgeklärt. Wenn man dann und wann mal wieder Pornos guckt, ist nichts dagegen einzuwenden. Manchmal kann das, auch für Paare, bereichernd sein“, sagt Hinrichs. „Wenn man dagegen eine Pornosucht entwickelt, und darunter leiden etliche meiner Patienten, gibt es ein Pro­blem: Man wird nie richtig satt, weil ja die Intimität und die Emotionalität fehlt. Die kommen zu mir, weil sie genug davon haben, weil sie eigentlich gar nichts spüren und nur endlich weg davon wollen.“

Auch ohne Pornografie eine Erektion bekommen

Wie ist das, wenn ein Mann mit seiner Frau in Katrin Hinrichs Praxis kommt, um darüber zu sprechen, dass er zu viele Pornos sieht? Ist es vor allem peinlich? „Vielleicht am Anfang. Aber es ist doch ein gutes Zeichen, wenn ein Mann bereit ist, mit einer neutralen Person über sein Verhalten zu reden und daran etwas zu ändern. Da steckt so viel Potenzial drin.“

Warum gucken gerade Männer eigentlich so oft Pornos? „Mein Kumpel sagt, weil es unkompliziert ist, weil er sich seine Lieblingsszenen und Lieblingsfrauen aussuchen kann, weil es schnell geht, das sei so wahnsinnig praktisch“, so Schumacher. „Wenn ihm das guttut, bitte machen, nicht aufhören“, sagt Hinrichs. Aber auch: „Das Digitale wird das Echte nie ersetzen können. Jede Berührung ist doch viel wichtiger als 100 Bilder.“

Stimmt es eigentlich, dass es Männer gibt, die so viele Pornos im Sitzen vor dem Bildschirm konsumiert haben, dass sie anders nicht mehr zu einem Höhepunkt kommen können?

„Das stimmt“, sagt Hinrichs, „davon habe ich auch mehrere Männer in meiner Praxis.“ Das seien Patienten, die bei ihr lernen müssten, auch ohne Pornografie wieder eine Erektion zu bekommen. „Ich hatte neulich einen Mann, der wollte den kompletten, harten Ausstieg, der wollte nie wieder Pornos gucken. Und der hat das wirklich durchgezogen und sagt heute, dass es ihm sexuell so gut geht wie noch nie.“

Merke: Können kommt von wollen.