Hamburg. Was lesen? Literaturhaus-Chef Rainer Moritz und Abendblatt-Redakteur Thomas Andre über aktuelle Bestseller, die es in sich haben.

Ein Roman, der mit beiden Beinen in der puren Gegenwart steht: Das ist Bernadine Evaristos „Mädchen, Frau etc.“. Für dieses Buch erhielt die Londoner Autorin als erste Schwarze Schriftstellerin im Jahr 2019 den Booker Prize. Nun liegt der Roman, der beinah ausschließlich weibliche Schicksale ins Visier nimmt, auf Deutsch vor.

Ein eindeutiger Zeitgeistroman, urteilen Rainer Moritz und Thomas Andre, finden aber, dass aus dem forcierten Interesse der Autorin an aktuellen Gender-Themen nie ein Ärgernis wird. Ob Schwarze, migrantische oder lesbische Lebenswelten – es entblättert sich ein handwerklich sauber ins Werk gesetztes Kaleidoskop der Jetzt-Zeit.

Johann Scheerer: Sorgen eines Jugendlichen aus den Elbvororten

Ganz anders bei Büchner-Preisträger Martin Mosebach, der in seinem neuen Werk „Krass“ die jüngere Vergangenheit zu ihrem Recht kommen lässt. Der Roman spielt in den Jahren 1988/89 und 2008. Auch sein Held, der sinistre Waffenhändler Ralph Krass, ist so gestrig wie nur irgendeiner. Ja, Mosebach ist ein Formulierungskünstler, der bisweilen ganz herrlich altmodisch zu schreiben versteht. Aber will man das heute so lesen? Diese Frage will die aktuelle Folge von Next Book Please beantworten.

Die dreht sich diesmal auch um Johann Scheerers zweites autobiografisches Buch „Unglaublich nah“, in dem der Plattenstudiobetreiber und Schriftsteller von einem Aufwachsen mit Personenschutz berichtet. Und von den Sorgen und Bedrängnissen eines Jugendlichen aus den Hamburger Elbvororten, der nicht nur der Sohn Jan Philipp Reemtsmas ist, sondern auch ein nach allgemeiner Emanzipation Strebender, der sich fragen muss, ob Punk und Hautevolee zusammengehören dürfen.

Ein geschickt arrangiertes Selbstzeugnis, urteilen die beiden Podcaster – aber einer von beiden kann diesem Buch dann doch noch deutlich mehr abgewinnen als der andere. Nachzuhören in dieser Folge, schalten Sie ein!