Hamburg. Jan Dreyer und Jannick Martens sprechen im HSV-Podcast über den Deadlineday, die Corona-Folgen und die Zukunft Rick van Drongelens.​

Jonas Boldt, Michael Mutzel und Claus Costa hätten sich am Montag im Volksparkstadion gemütlich auf eine Tasse Kaffee treffen können. Die drei Verantwortlichen der HSV-Kaderplanung hatten bereits vor dem sogenannten Deadlineday entschieden, auf Winterverstärkungen zu verzichten. Erstmals seit drei Jahren gehen die Hamburger damit wieder ohne einen Neuzugang in die zweite Saisonhälfte.

Zuvor hatten mit Lukas Hinterseer (Ulsan Hyundai) und Xavier Amaechi (Leihe nach Karlsruhe) zwei Offensivspieler den HSV in der Wintertransferperiode verlassen. Doch spätestens der überzeugende 3:1-Sieg gegen den SC Paderborn dürfte den Verantwortlichen die Gewissheit gegeben haben, dass der Kader trotz der Muskelverletzung von Toni Leistner gut genug aufgestellt ist.

„Wintertransfers sind das Ergebnis von Situationen, die eintreten, weil etwas nicht optimal gelaufen ist“, sagt Jan Dreyer. Der Spielerberater aus Hamburg sitzt am Montagmittag mit einer Tasse Kaffee zusammen mit seinem Geschäftspartner Jannick Martens im Podcaststudio des Abendblatts und spricht über den Transfermarkt in Zeiten von Corona. Die beiden Agenten arbeiten für das niederländische Beraterunternehmen SEG, eine der größten Agenturen im europäischen Fußballgeschäft.

Dreyer und Martens beraten zwei HSV-Profis

Dreyer und Martens können es sich sogar erlauben, ihr Handy für eine Stunde auszuschalten. Wie auch der HSV haben die beiden Berater ihre Hausaufgaben auf dem Markt frühzeitig erledigt und konnten das Transfertreiben am Montag ganz in Ruhe verfolgen.

„Wir schauen jetzt schon auf das Sommertransferfenster“, sagt Martens (30). Der Sohn von Eintracht-Norderstedt-Trainer Jens Martens und frühere Nachwuchsspieler des FC St. Pauli hat sich an der Seite seines Hamburger Partners Jan Dreyer (38) in der Beraterszene einen Namen gemacht.

Beim HSV betreuen die beiden mit Rick van Drongelen (22) den mit einem Marktwert von fünf Millionen Euro wertvollsten Spieler und mit dem an Jahn Regensburg verliehenen Aaron Opoku (21) einen Spieler für die Zukunft.

Berater: Corona hat den Transfermarkt beruhigt

In der Gegenwart beobachten Martens und Dreyer aber nicht nur beim HSV einen ruhigeren Transfermarkt. Die Corona-Pandemie hat national und international für eine große Verunsicherung bei den Proficlubs gesorgt. Investierten die Erstligaclubs im Januar 2020 noch 200 Millionen Euro für neue Spieler, waren es bis zum Ende des Transferfensters am Montag um 18 Uhr nur 50 Millionen Euro für nicht einmal 20 Spieler.

Ähnlich sieht es in der Zweiten Liga aus. St. Pauli und Eintracht Braunschweig führen mit nur jeweils 100.000 Euro Leihgebühr die Ausgabentabelle an. Auf der Einnahmenseite liegt der HSV mit dem Verkauf von Hinterseer für 300.000 Euro auf Platz zwei hinter Paderborn (600.000 Euro).

Corona hat auch den Transfermarkt fest im Griff. „Es wird deutlich mehr auf das Budget geachtet. Viele Clubs setzen auf Leihgeschäfte. Kaum ein Verein ist bereit, eine Ablösesumme zu bezahlen“, sagt Dreyer.

Berater verdienen auch am Gehalt des Spielers

Der Verlust auf der Einnahmenseite der Berater hält sich trotz des entschleunigten Markts in Grenzen. Anders als manch einer meint, verdienen die Agenten ihr Geld nicht nur durch Transfers. „Das ist ein Irrglaube“, klärt Martens auf. „In Deutschland und in Europa ist es gang und gäbe, dass man als Berater vom Verein bezahlt wird. Üblich ist, dass man zwischen acht und zehn Prozent vom Bruttojahresgehalt des Spielers pro Vertragsjahr verdient.“

Dreyer und Martens sind bei der Sports Entertainment Group zwei von 100 Beratern, die sich um mehr als 400 Spieler kümmern. Angefangen mit einer kleinen Agentur in Hamburg, haben die beiden über die Kooperation mit SEG nun Kontakte zu den großen europäischen Topclubs. Und anders als in Deutschland unterschreiben die Spieler bei der holländischen Agentur auch eine Vereinbarung.

So soll verhindert werden, dass die Profis ihre Berater beliebig oft wechseln. HSV-Verteidiger Stephan Ambrosius etwa tauschte in den vergangenen drei Jahren gleich sechsmal seinen Agenten, ehe er beim HSV vor wenigen Wochen seinen Vertrag bis 2024 verlängerte und sich über eine deutliche Gehaltserhöhung freuen durfte.

Berater beklagen Ellbogenmentalität

„Beraterwechsel haben in den vergangenen Jahren zugenommen. Dadurch, dass es keine Beraterlizenz mehr gibt, kann da jeder reinstoßen. Es gibt im Markt immer mehr Ellbogen“, sagt Martens.

Und der Kampf um die Talente beginnt immer früher. Spätestens seitdem Borussia Dortmunds Wunderstürmer Youssufa Moukoko (16) im Alter von zwölf Jahren vom FC St. Pauli zum BVB wechselte, beginnt das Rennen um die Toptalente schon im Kindesalter.

„Es gibt schon ein Hauen und Stechen“, sagt Martens, der sich an ein U-17-Spiel zwischen Hannover 96 und dem HSV im Vorjahr erinnert, bei der gleich zwölf große Beraterfirmen auf der Tribüne scouteten. Eine Altersgrenze, ab wann sich Talente einen Berater nehmen, gibt es nicht.

„Es ist ein sensibles Thema“, sagt Dreyer, der weiß, dass man früh dran sein muss, um Spieler frühzeitig an sich zu binden. HSV-Talent Opoku lernte er bereits in der U14 kennen, verlor ihn zwischenzeitlich an eine andere Hamburger Agentur, ehe sie wieder zueinander fanden und nun Opokus Karriere in kleinen Schritten planen. Im Sommer verlängerten sie beim HSV bis 2024.

HSV bei Jugendarbeit stark verbessert

Dass Talente beim HSV nicht immer den besten Weg einschlugen, habe sich revidiert. „Es war in den vergangenen Jahren schon gefährlich, junge Spieler zum HSV zu bringen“, sagt Martens. „Mittlerweile machen junge Spieler, die aus der Akademie kommen, einen guten Weg. Mit dem aktuellen Trainerteam und den sportlichen Verantwortlichen kann man guten Gewissens seinen Klienten zum HSV gehen lassen.“

Auch deshalb stehen die Chancen gut, dass Rick van Drongelen seinen bis 2022 laufenden Vertrag im Sommer beim HSV vorzeitig verlängert. Hinzu kommt die Unsicherheit durch die Corona-Pandemie. „Wir raten unseren Spielern, dass sie nicht zu sehr pokern sollten. In diesen Zeiten ist eine gewisse Sicherheit ein Luxus“, sagen Martens und Dreyer. Sie wissen, dass der Transfermarkt nicht mehr so sein wird wie zuvor. Das gilt nicht nur für den HSV.