Hamburg. Im Podcast spricht der Stürmer über das Duell seiner Ex-Clubs Hamburg und Hannover sowie sein sportliches Abenteuer in Australien.

Es ist 21.30 Uhr in Sydney, als Nicolai Müller sich mit seinem Laptop in das Gespräch mit dem Abendblatt einwählt. Der frühere Flügelstürmer des HSV musste erst noch seine Zwillinge ins Bett bringen, ehe er die nötige Ruhe fand, um im Abendblatt-Podcast „HSV – wir müssen reden“ über das kommende Duell seiner beiden Ex-Clubs zu sprechen. Am Sonnabend um 13 Uhr trifft der HSV auf Hannover 96. Im 16.200 Kilometer entfernten Australiens wird es dann schon spät am Abend sein, wenn der Profi der Western Sydney Wanderers auf dem Sofa den Fernseher anmacht. „Das ist eine gute Zeit für mich. Da werde ich auf jeden Fall mal einschalten.“

Eine gute Zeit hat Müller auch, seit er im vergangenen Jahr am anderen Ende der Welt wohnt. „Wir fühlen uns super wohl hier“, sagt der 33-Jährige, der mit seiner Frau Jessica und den zwei Kindern im Oktober 2019 von heute auf morgen seine Koffer packte. Müller hatte sich nach Ablauf der Transferperiode eigentlich schon damit abgefunden, bis zum Winter bei Eintracht Frankfurt zu bleiben, obwohl er dort nur auf der Bank saß. Dann rief ihn eines Abends Markus Babbel an. Der Europameister von 1996 war zu diesem Zeitpunkt Trainer in Sydney und wollte Müller unbedingt holen. „Es gab nur ein Problem“, erinnert sich Müller ein Jahr später. „Ich musste mich innerhalb von 24 Stunden entscheiden, da das Transferfenster in Australien nur noch kurze Zeit geöffnet war.“

HSV: Nicolai Müllers Ära endete jäh

Müller rief seine Frau an. Beide waren sofort Feuer und Flamme. Schon am nächsten Morgen entschieden sie sich für den Umzug. „Es war eine Hauruck-Entscheidung. Wir wollten das Abenteuer unbedingt starten.“ Innerhalb weniger Tage packten sie ihre Sachen in ihrem Haus in Hamburg und setzten sich mit den Kindern ins Flugzeug.

Hinter sich ließ Müller auch eine emotionale, nicht immer einfache Zeit. 2014 war der Franke als Nationalspieler für 4,5 Millionen Euro von Mainz 05 zum HSV gewechselt. Müller war eines der hoffnungsvollen Gesichter des Neustarts nach der Ausgliederung. Am Ende eines schweren Jahres wurde er tatsächlich zum Helden, als er in der legendären Relegation von Karlsruhe in der Verlängerung das Siegtor schoss. Im Jahr darauf gelang ihm unter Trainer Bruno Labbadia der Durchbruch, doch ein Kreuzbandriss im August 2017 bei seinem Torjubel gegen Augsburg schockte ihn und seinen Club. Als Müller am 33. Spieltag wieder zum Einsatz kam, war es schon zu spät. Der HSV stieg erstmals in der Geschichte ab. Müller ging zu seinem Jugendclub Frankfurt. Glücklich wurde er dort nicht.

Nicolai Müller: Druck beim HSV größer

Nach einem halben Jahr ließ er sich zu Hannover 96 verleihen. Am Ende der Saison stand erneut der Abstieg, sein zweiter innerhalb eines Jahres. „Ein Abstieg ist kein schönes Gefühl“, sagt Müller über die schwere Zeit, die er gleich zweimal erlebte, ohne viel dagegen tun zu können. „Ich war beim HSV ein wichtiger Spieler. Es war schon bitter, nicht mehr helfen zu können. Und in Hannover war es dann auch schwer, das Ruder herumzureißen in einer Mannschaft, die nicht richtig funktioniert.“

Sowohl der HSV als auch Hannover tun sich nach dem Abstieg schwer, die Rückkehr zu schaffen. Die Hamburger probieren es im dritten Anlauf, Hannover im zweiten. Doch durch die jüngsten Ergebnisse sind sowohl der HSV (2:3 in Heidenheim) als auch Hannover (0:3 gegen Kiel) in eine Krise geraten. Vor dem direkten Duell am Sonnabend stehen beide Clubs unter Druck. Müller kennt diese Situationen aus seiner Zeit an der Elbe und der Leine. „In Hannover war der Druck vergleichbar mit dem in Hamburg. Beim HSV war der Druck immens, weil man nicht der erste sein wollte, der absteigt.“

Müller über den HSV: "Manchmal fehlen einem die Worte"

Doch auch mit dem Aufstiegsdruck scheint sein Ex-Club nicht klarzukommen. Für Müller unverständlich. „Wir hatten immer etwas zu verlieren. Jetzt hat der HSV etwas zu gewinnen. Warum man 1:5 gegen Sandhausen verliert, wenn schon ein Punkt für die Relegation reicht, ist unerklärlich und schwer nachzuvollziehen. Es fehlen einem manchmal die Worte, warum es nicht klappt.“

Müller glaubt trotz der wiederkehrenden Rückschläge an den Aufstieg des HSV in dieser Saison. Bei Hannover 96 hat er dagegen noch Zweifel. „Der HSV ist finanziell und vom Kader her noch etwas besser aufgestellt als Hannover und hat größere Chancen, aufzusteigen. Ich bin überzeugt, dass es der HSV mit dieser Mannschaft in diesem Jahr schafft. Es wurde auch der richtige Weg eingeschlagen, verstärkt junge Spieler einzubauen“, meint Müller.

Müller sah nach Verletzung wochenlang doppelt

Für ihn persönlich beginnt die neue Saison direkt nach Weihnachten am 27. Dezember mit einem Heimspiel gegen Macarthur FC. Seine erste Saison endete im Juli vorzeitig mit einer schweren Kopfverletzung, bei der ein Nerv im Gehirn in Mitleidenschaft gezogen wurde. Zwei Monate sah Müller auf einem Auge doppelt. „Ich habe noch Glück gehabt. Heute geht es mir wieder richtig gut.“ Der Stürmer genießt sein neues Leben in Down Under. Seine Kinder gehen in Sydney auf eine englische Schule. Weihnachten feiert die Familie bei Strandwetter.

Alex Meier und auch Trainer Markus Babbel sind zwar nicht mehr in Sydney, Müller kann sich aber auch ohne sie gut vorstellen, sein Abenteuer in Australien zu verlängern. Im Sommer endet sein Vertrag. „Ich könnte mir vorstellen, meine Karriere hier zu beenden.“ Ihr Haus in Harvestehude haben die Müllers aber behalten. Denn eines ist sicher: „Irgendwann werden wir nach Hamburg zurückkehren.“

Den ganzen Müller-Podcast mit Gastauftritten von Alex Meier, René Adler, Marco Caligiuri, Helmut Hack, Sven Schipplock und Julian Korb gibt es kostenfrei auf abendblatt.de/hsv-podcast.