Hamburg. Im Abendblatt-Podcast erinnert sich Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda an seine 2016 gestorbene Vorgängerin.

What would Google do? Was würde Google tun? Diese Frage steht als Chiffre dafür, wie man heute die Digitalisierung verstehen und welche Erfolgsstrategien man für ein Unternehmen aber auch für sich selbst von dem Marktführer unter den Suchmaschinen-Konzernen übernehmen kann. In der Hamburger Kulturbehörde gibt es seit einigen Jahren ein Äquivalent dazu: What would Kisseler do?

„Diese Frage haben wir uns nach ihrem Tod häufig gestellt, aber wir stellen sie uns bis heute“, sagt Kultursenator Carsten Brosda in der neuen Folge des Abendblatt-Podcasts „Geliebt & Unvergessen“, in dem Weggefährten an verstorbene Hamburger Persönlichkeiten erinnern. Die Mutmaßung „Wie würde sie das machen?“ sei eine wesentliche Richtschnur in der Art und Weise gewesen, wie man Entscheidungsprozesse angegangen ist. „Und das hat sich in den Jahren danach noch fortgesetzt.“

Brosda: Barbara Kisseler hat Menschen dazu gebracht, sich zu bewegen

Barbara Kisseler, Brosdas Vorgängerin, hat die Kulturpolitik Hamburgs fünfeinhalb Jahre lang, bis zu ihrem Tod im Herbst 2016, geprägt wie wohl kaum ein Politiker vorher. Noch immer herrsche Fassungslosigkeit darüber, dass sie nicht mehr da ist, erzählt Carsten Brosda im Gespräch mit Redakteurin Jule Bleyer. Man habe manchmal noch das Gefühl, gleich komme sie um die Ecke. „Sie kam ja gerne zu spät, sie hatte immer einen Auftritt, indem sie einen Raum noch einmal durcheinanderwirbeln konnte, der sich gerade sortiert hat“, sagt Brosda.

Barbara Kisseler habe niemanden kalt gelassen. „Sie war anstößig im positiven Sinne. Sie hat Menschen dazu gebracht, sich zu bewegen und etwas zu verändern.“ Und habe dabei selbst nicht nur versprochen, sondern auch geliefert. Er begegne bei seiner Arbeit als Kultursenator immer wieder Dingen, „von denen man weiß, die gibt es, weil Barbara Kisseler sich darum gekümmert hat“. Kisseler, die aus Berlin nach Hamburg kam, als es um das Verhältnis zwischen Politik und Kulturschaffenden nach drastischen Kürzungen und Schließungen unter dem schwarz-grünen Senat nicht zum Besten stand, habe „ein positives und leidenschaftliches Bekenntnis zur Kultur“ geprägt und das Vertrauen von Künstlern und Kulturschaffenden in die Stadt wiederaufgebaut.

Brosda: „Sie hatte eine natürliche Autorität“

Im Podcast erzählt Brosda, wie Barbara Kisseler das geschafft hat, warum sie Kulturpolitik auch immer als „gesprächstherapeutische Arbeit“ verstanden hat und warum Menschen lieber zweimal überlegten, ob sie ihr widersprechen.

„Sie hatte eine natürliche Autorität“, sagt Brosda, und erklärt mit einem Schmunzeln: Wenn sie jemandem gesagt habe „So ist das jetzt“, dann habe derjenige gezuckt und überlegt, sage ich jetzt etwas dagegen – und es dann meist gelassen, weil er eh keine besseren Argumente hatte.

In dem Gespräch geht es auch darum, warum Barbara Kisseler nie in eine Partei eingetreten ist (dafür aber gerne mal Türen nicht nur aufgestoßen, sondern eingetreten hat), wie viel Hamburg ihr bedeutet hat – und warum sie heute diebische Freude an der Elbphilharmonie hätte (und dass ihr zu dem Konzerthaus bei aller Begeisterung zunächst einmal etwas schön Spöttisches eingefallen wäre). Zum Ende wird Brosda aber auch sehr persönlich. Er hätte gerne noch viel mit ihr besprochen: „Wir haben am Ende sehr viel sehr privat geredet – und da sind ein paar Sachen leider ungesagt geblieben.“