Hamburg. „Entscheider treffen Haider“ – eine Extra-Ausgabe zur US-Präsidentschaftswahl mit dem Tagesthemen-Moderator Ingo Zamperoni.

Ingo Zamperoni kennt sich wie wenige deutsche Journalisten in den USA aus: Er hat dort lange gearbeitet, er hat eine Amerikanerin zur Frau und entsprechend auch eine amerikanische Familie – und erlebt somit direkt, was der Wahlkampf in den USA mit den Menschen macht: zum Beispiel, dass die Diskussionen über Donald Trump zwischen seiner Frau und seinem Schwiegervater „beginnen, kaum, dass wir das Haus betreten haben“. Zamperoni hat über „Trump, meine amerikanische Familie und ich“ einen Film gedreht, der am Montag um 20.15 Uhr in der ARD zu sehen ist. Vorher sprach er mit Abendblatt-Chefredakteur Lars Haider über zerrissene Familien und ein zerrissenes Land, über einen Präsidenten, der geliefert hat – und der doch noch wiedergewählt werden könnte …

Das komplette Gespräch aus der Reihe „Entscheider treffen Haider“ hören Sie unter www.abendblatt.de/entscheider Es lohnt sich!

Das sagt Ingo Zamperoni über …

… seinen Schwiegervater, einen überzeugten Trump-Wähler:

„Mein Schwiegervater ist 2016 überzeugter Trump-Wähler gewesen, auch wenn man damals man ja auch nicht wusste, wie der als Politiker sein würde. Und jetzt wählt er Trump wieder, auch wenn er sagt, dass ihm nicht gefalle, wie der Präsident rede, wie er rumpoltere und dass er sich manchmal die Ohren zuhalten müsse, wenn Trump spreche. Trotzdem habe er genau das gemacht, was er versprochen habe und viel erreicht: Die Wirtschaft sei bis zum Beginn der Corona-Pandemie hervorragend gelaufen, die Steuersenkungen für Unternehmen seien richtig gewesen, die Börsen hätten neue Höchststände erreicht. Und mein Schwiegervater hat große Angst davor, dass die Demokraten an die Macht kommen, weil „dann der Sozialismus regiert“.

… den Streit zwischen seiner Frau und seinem Schwiegervater:

„Meine Frau und ihr Vater haben sich schon immer gestritten, wenn es um Politik ging, sie ist Demokratin, er Republikaner. Diese Zerrissenheit innerhalb einer Familie wollen wir in dem Film stellvertretend dafür zeigen, was im ganzen Land passiert. Viele Amerikaner reden gar nicht mehr miteinander, so weit ist es bei uns zum Glück noch nicht. Aber seit Trump gibt es auch bei meiner Frau und ihrem Vater Momente, in denen sie politische Diskussionen beenden müssen, weil es sonst hässlich werden könnte. Bei einer guten Freundin von uns hat der Vater sogar angedroht, seine Tochter zu enterben, weil sie Demokratin und gegen Trump ist.“

… einen immer noch möglichen Wahlsieg Trumps:

„Ohne die Pandemie hätte Trump die Wahl ziemlich sicher gewonnen. Wenn man seine Arbeit aus der Brille eines republikanischen Wählers betrachtet, gibt es eine Menge Punkte, bei denen er geliefert hat. Er hat zwar die Mauer nach Mexiko nicht fertig gebaut, aber er hat die illegale Einwanderung reduziert. Er hat viele neue, konservative Richter berufen. Er hat amerikanische Soldaten zurück in die Heimat geholt, er hat immerhin eine Art Annäherung an Nordkorea erreicht, auch wenn das reichlich skurril anmutete. Und der Dow Jones ist in seiner Amtszeit um 8000 Punkte gestiegen, was für viele Amerikaner wichtig ist, weil ihre Renten an der Börsenentwicklung hängen. Republikanische Wähler wie mein Schwiegervater erkennen natürlich auch Trumps Schwächen, vor allem bei seinen Auftritten.

Aber die blenden sie angesichts der geschilderten Erfolge aus. Deswegen glaube ich, dass seine Chancen, wiedergewählt zu werden, deutlich höher sind, als wir uns das in Deutschland vorstellen können und vielleicht wünschen. Letztlich wird die Wahl durch Wählermobilisierung entschieden, es kommt darauf an, welche Seite es schafft, mehr Menschen an die Urnen zu bekommen.“

… die Frage, was eine Niederlage Trumps ändern würde:

„Trump ist nicht die Ursache der Spaltung Amerikas, vielmehr ein Symptom. Auch wenn er die Gräben vertieft – es gab sie vorher, nur so konnte jemand wie er Präsident werden. Diese Gräben werden weiter existieren, ganz egal, wer die Wahl gewinnt. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie es sein wird, wenn es ganz knapp wird … Joe Biden dürfte bei einem engen Ausgang die Größe haben, einen Sieg Trumps anzuerkennen, um das Land vor einer Verfassungskrise oder Ähnlichem zu bewahren. Trump wird den Ausgang der Wahl wohl immer so drehen und deuten, dass er irgendwie „gewonnen“ hat. Das ist seine Masche: Wenn was schiefläuft, waren es die anderen, wenn es gut läuft, war er es allein.

… Trump und die Wahrheit bzw. Wahrhaftigkeit:

„Aus Marketinggesichtspunkten ist Trump sehr überzeugend. Er verkauft das, was er ist. Deswegen sage ich auch manchmal, dass er vielleicht einer der „ehrlichsten“ Politiker der USA ist – weil er eben nicht vorgibt, etwas anderes zu sein, als er ist. Schlimm ist es, dass man sich an seine Lügen gewöhnt hat. Dass man bei einer Lüge mittlerweile einfach mit den Schultern zuckt und sagt: Na ja, ist eben Trump. Ich habe eine Freundin meiner Schwiegermutter, die ihn auch wählt, darauf angesprochen. Und was sagt sie? „Politiker lügen doch alle.“ Will sagen: Seine Anhänger finden für alles, was Trump tut, eine Entschuldigung oder Relativierung.

Mein Schwiegervater sieht auch, dass Trump die Corona-Pandemie besser hätte managen können, sagt aber im selben Atemzug, dass das ja auch den meisten anderen Regierungschefs der Welt nicht gelungen sei – und dass Trump als einer der Ersten die Flüge aus China in die USA gestoppt habe. Ich will in dem Film zeigen: Man muss kein Verständnis für Trump-Wähler haben, aber man muss verstehen, welche Argumente sie haben. Sonst verstehen wir dieses Land nicht.“

… die Frage, ob Trump wirklich Corona gehabt hat:

„Allein die Tatsache, dass man darüber nachdenkt und sich unterhält, ist schon schräg.“

… Joe Biden:

„Biden hat bei den Duellen eine gute Figur gemacht. Trotzdem entstand der Eindruck: Diese beiden Männer sollen jetzt die Auswahl für einen Präsidenten in diesem großen Land sein? Ich glaube, dass viele auch deshalb Trump wählen werden, weil sie glauben, dass Joe Biden sowieso nur ein oder zwei Jahre US-Präsident sein wird, dann Kamala Harris übernimmt und das Land einen Ruck nach links macht.“

… die Rolle der Medien in den USA:

„Was problematisch ist, dass es in den USA eine Menge Kanäle gibt, die behaupten, Nachrichten zu präsentieren, die in Wahrheit aber Meinungsjournalismus betreiben. Das befeuert Denkweisen, die ungesund sind: Mein Schwiegervater sagt dann über Trump-kritische Medien, dass die sowieso alles an ihm kritisieren, selbst, wie er ins Flugzeug einsteigt – und dass man ihnen deshalb nicht vertrauen kann. Das kann zu einer Gesellschaft führen, in der keiner gar nichts mehr glaubt. Und dann hat zum Beispiel ein Präsident, der andere Medien diskreditiert und über Twitter kommuniziert, leichtes Spiel. Übrigens gilt auch: Was Trump noch schlimmer findet als negative Presse über sich, ist – gar keine Presse.“

… sein Tipp für die Wahl:

„Wenn man mir eine Pistole auf die Brust setzen und von mir einen Tipp verlangen würde, dann würde ich sagen: 51 zu 49 Prozent, dass Trump eine zweite Amtszeit bekommt. Ich habe bei unseren Filmaufnahmen eine Begeisterung bei den Trump-Wählern gespürt, die es bei den Anhängern Bidens nicht gab.“