Hamburg. Im Podcast Entscheider treffen Haider spricht der Grossmann-&-Berger-Chef über FaceTime-Besichtigungen und Immobilien im Umland.

Dass die Preise für Hamburger Immobilien infolge der Coronakrise einbrechen werden, glaubt Lars Seidel zwar nicht. Aber der Geschäftsführer von Grossmann & Berger sieht trotzdem größere Veränderungen bei der Suche nach Wohnungen und Häusern: Unter anderem stelle sich angesichts der positiven Erfahrungen mit Homeoffice für viele Menschen die Frage neu, ob sie unbedingt mitten in der Stadt leben müssten.

Das sagt Lars Seidel über …

… den Immobilienmarkt in Hamburg 2019 und die ursprünglichen Erwartungen für 2020:

„Wir hatten im vergangenen Jahr das beste Ergebnis in der Geschichte von Grossmann & Berger, konnten etwas mehr als 1000 Immobilien vermitteln. Für 2020 hatten wir ähnliche Erwartungen, sind sogar von weiteren Steigerungen ausgegangen. Wir haben auch damit gerechnet, dass sich die Preise für Häuser und Wohnungen erneut erhöhen. Die Marktdaten, etwa das Zinsniveau, haben sich ja nicht geändert.“

… Wohnungsbesichtigungen in Zeiten von Corona:

„Man könnte denken, dass es aktuell keine Besichtigungen mehr gibt, aber das stimmt nicht. Natürlich halten wir entsprechende Hygienevorschriften ein. Im Vorwege fragen wir einen Interessenten, ob er gesund ist oder zu einer Risikogruppe gehört. Bei der Besichtigung haben wir Desinfektionsmittel und Mundschutz dabei. Grundsätzlich gehen wir nur mit einer Person in ein Haus, wenn ein Paar kommt, machen wir also zwei Besichtigungen. Und wir begrüßen es, wenn der Eigentümer möglichst nicht dabei ist, um die Zahl der Kontakte so gering wie möglich zu halten.“

… digitale Wohnungsbesichtigungen:

„Es wird nie dazu gekommen, dass jemand ein Haus kauft, ohne es tatsächlich einmal persönlich gesehen zu haben. Dafür geht es um zu viel Geld, um Entscheidungen, die oft nur einmal im Leben anstehen, und natürlich geht es auch um Emotionen.

Trotzdem bieten wir kontaktlose Besichtigungen etwa per Face-Time an, bei denen der Makler mit seinem Handy durch ein Haus geht und dem potenziellen Käufer alles zeigt, was er sehen will. Außerdem gibt es bei uns jetzt die Möglichkeit, ein Objekt kontaktlos bewerten zu lassen: Der Verkäufer muss dafür einen Fragebogen ausfüllen und uns Fotos schicken. Daraufhin macht einer unserer Makler eine Außenbesichtigung, sieht sich in der Umgebung um und kann mit diesen Informationen schon eine gute Schätzung des Immobilienwertes abgeben.“

Neugeschäfte:

„Zwischenzeitlich gab es eine Schockstarre, in der es kaum Neugeschäfte gab. Inzwischen sind wir fast wieder auf dem Niveau vor dem Beginn der Coronakrise.“

… die Entwicklung der Immobilienpreise in Hamburg:

„Aktuell gibt es keinerlei Anzeichen, dass die Preise sich negativ entwickeln, auch wenn ‚vermeintliche‘ Experten von Rückgängen zwischen zehn und 25 Prozent sprechen. Diese Einschätzung können wir nicht teilen. Alle Preise, die wir in unseren Angeboten haben, werden bezahlt. Wenn wir in die nahe Zukunft gucken, sehen wir aber schon eine leichte Delle.

Die hat drei Ursachen: Erstens steigen kurzfristig die Zinsen wieder etwas, zweitens gibt es leichte Verzögerungen auf den Baustellen neuer Projekte, und drittens kommt die Entwicklung in Hamburg insgesamt langsam an ihre Grenzen. Ich gehe nicht davon aus, dass der Zuzug in den nächsten Jahren weiter so groß sein wird wie in der Vergangenheit.

Die Stadt ist recht teuer geworden, deshalb ziehen immer mehr Menschen ins Hamburger Umland, wo die Preise noch niedriger sind. Wir gehen deshalb davon aus, dass das Wachstum in den Randgemeinden in den nächsten Jahren deutlich höher sein wird als in Hamburg. Was ja auch dazu führen könnte, dass sich die Lage auf dem Immobilienmarkt in der Stadt entspannt. Mittel- bis langfristig werden die Preise weiter steigen.“

… Homeoffice, das auch den Immobilienmarkt verändert:

„Der Siegeszug des Homeoffice wird natürlich Auswirkungen auf den Kauf von Immobilien haben. Wenn Menschen merken, dass sie gut von zu Hause arbeiten können, spielt es keine Rolle mehr, ob sie nah bei ihrem Arbeitgeber und mitten in der Stadt leben. Das könnte den Trend zur Umkehr der Urbanisierung beschleunigen. Vom Homeoffice werden ebenfalls die Ränder Hamburgs und der Speckgürtel profitieren, übrigens auch, weil man sich dort eher ein Haus oder eine Wohnung mit einem Arbeitszimmer leisten kann. Die Frage, ob man unbedingt mitten in Hamburg leben muss, stellt sich durch die positiven Erfahrungen mit Homeoffice neu.“

… Ansprüche an eine Wohnung, die sich durch Corona verändern:

„Wir sehen jetzt schon, dass sich die Ansprüche ändern: Ein Balkon wird wichtiger, vielleicht ein kleiner Garten, die Möglichkeit, ein Arbeitszimmer einzurichten. Immer mehr Menschen erkennen in der Krise die Grenzen ihrer Wohnungen, aber auch die Grenzen ihres dicht besiedelten Stadtteils, und fragen sich, ob es nicht doch besser wäre, etwas weiter draußen zu wohnen. Denn dort hat man sowohl in seiner Wohnung als auch sonst mehr Platz.“

… Hausbesitzer, die wegen Corona Probleme mit der Finanzierung ihrer Immobilien bekommen könnten:

„Wir glauben nicht, dass in den nächsten Monaten viele Immobilien zwangsweise auf den Markt kommen. Dafür sind die meisten Finanzierungen in Hamburg gut mit Eigenkapital hinterlegt und ja meist schon ein paar Jahre alt.“

… die Entwicklung bei den Ferienwohnungen an Nord- und Ostsee:

„Die Coronakrise befeuert das Geschäft mit Ferienimmobilien, weil ein Urlaub in Deutschland, an der Nord- oder Ostsee, auf einmal eine ganz andere Bedeutung bekommt. Im Moment gibt es deshalb eine sehr große Nachfrage nach Ferienhäusern und Ferienwohnungen, wobei man sich die Preise natürlich genau ansehen muss.

Chancen sehe ich zum Beispiel in St. Peter-Ording und in Friedrichskoog an der Nordsee. Auf der Ostseeseite sind Fehmarn und Travemünde gut im Kommen, in Mecklenburg-Vorpommern würden mir Boltenhagen und Kühlungsborn einfallen.“

… digitale Notartermine:

„Bestimmte Dinge werden nach Corona anders sein als davor, und das kann auch die Notartermine betreffen. Es würde vieles erleichtern, wenn man die etwa über Videokonferenzen machen könnten, weil Käufer und Verkäufer ja nicht selten aus unterschiedlichen Städten kommen.“