Hamburg. Im Podcast “Entscheider treffen Haider“ berichtet Till Walz, wie er um die Zukunft seines bisher kerngesunden Unternehmens kämpft.

Vor vier Jahren hat er den Hamburger Gründerpreis gewonnen, seitdem ging es für Till Walz und seine Trampolinparks immer nur bergauf: Jump House ist eines der Freizeitunternehmen, die von Hamburg aus die Republik erobert haben, mit inzwischen 360 Mitarbeitern und großen Plänen. Dann kam Corona, die Parks in mehreren Großstädten mussten innerhalb kürzester Zeit schließen, die Umsätze sanken von einem Tag auf den anderen auf null Euro.

Darüber sprach Abendblatt-Chefredakteur Lars Haider in einer neuen Folge von „Entscheider treffen Haider“ mit Till Walz. Und erlebte einen Unternehmer, der ehrlich und sehr emotional beschreibt, wie es im Moment Zehntausenden Mittelständlern geht, die in Not geraten sind, ohne selbst etwas falsch gemacht zu haben.

Das sagt Till Walz über …

… die Anfänge von Jump House:

„Vor sechs Jahren bin ich mit meinem Partner Christoph im wahrsten Sinne des Wortes auf das Thema Trampolin gesprungen. Wir haben auf YouTube Videos von Trampolinparks gesehen und waren begeistert. Ich bin damals in die USA gefahren, habe die Parks an der Ost- und Westküste besucht, und dann versucht, das Konzept für Deutschland zu adaptieren. Das gab es damals bei uns nicht. In Hamburg-Stellingen haben wir eine ehemalige Tennis- zur Trampolinhalle umgebaut, obwohl uns die meisten im Freundes- und Bekanntenkreis für verrückt erklärt haben. Auch die Banken haben damals nicht an unser Konzept geglaubt. Wir haben es trotzdem gemacht, und es ist so gut eingeschlagen, dass wir bereits 15 Monate später die nächste Halle eröffnet haben. Aktuell haben wir sieben Parks in sechs Städten, zwei davon in Hamburg.“

… den Gewinn des Hamburger Gründerpreises:

„Dass wir 2016 zu Hamburgs Existenzgründern des Jahres gewählt wurden, war ein unvorstellbarer Höhepunkt. Wir wussten gar nicht, wie uns geschah, es lief alles fantastisch. Das war eine tolle Zeit, und von da an ging es eigentlich nur noch bergauf. Bis heute.“

… die eigentlichen Pläne für 2020:

„Wir hätten in diesem Jahr einen weiteren Standort eröffnet. Das haben wir auch noch nicht ganz verworfen, aber es wird natürlich mit zunehmender Zeit immer unwahrscheinlicher. Daneben waren wir auch dabei, in andere Bereiche reinzuschauen, um zu sehen, was wir mit unserer Erfahrung und unserer Mannschaft noch hätten anstellen können. Wir haben da tolle Ideen, aber angesichts der jetzigen Situation müssen wir sehr vorsichtig sein. Keiner weiß, was da kommt.“

… null Euro Umsatz bei weiter hohen Kosten:

„Wir haben 360 Mitarbeiter. Davon sind allein 200 Minijobber oder studentische Hilfskräfte. Für unsere fest angestellten Mitarbeiter greift die Kurzarbeit, für die wir der Bundesregierung sehr dankbar sind. Aber wir wollen natürlich auch die Minijobber und Studenten an uns binden, wir brauchen die, um die Parks zu betreiben, gerade an den Wochenenden, an denen bisher immer am meisten los war. Für die gibt es im Moment keine Lösung­, was für uns ein riesiges Problem ist. Wir zahlen die Gehälter komplett aus der eigenen Tasche und gehen damit voll ins Risiko. Aber wir haben im Moment eben null Euro Umsatz, das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Wir sind komplett geschlossen worden, was sicherlich auch richtig war und nach wie vor ist. Aber bei null Euro Umsatz hast du als Unternehmen einen sehr schweren Stand, weil die Kosten ja weiterlaufen. Bei uns sind das vor allem die großen Flächen, allein in Bremen sind es knapp 5000 Quadratmeter in einem Einkaufszentrum, für die wir Mieten zahlen müssen. Da stehen wir vor einem großen Berg, über den wir jetzt mit den Vermietern verhandeln. Das läuft gerade. Wir versuchen natürlich, zumindest Stundungen zu bekommen, am besten wäre aber ein Mietverzicht. Leider haben wir dazu keine Rechtsgrundlage. Als Mieter musst du deine Miete zahlen, das ist gesetzlich eindeutig geregelt.“

... die Ohnmacht als erfolgreicher Unternehmer in der Krise:

„Du fühlst dich wie ein Fußballtrainer, der 5:0 mit seiner Mannschaft im Champions-League-Finale­ geführt hat. Doch auf einmal kippt das Spiel, dir werden die Hände auf dem Rücken zusammengebunden, und im Gesicht trägst du eine Maske, durch die kein Ton nach draußen dringt. Und du musst zusehen, wie das Spiel sich dreht, ohne dass du irgendetwas dagegen machen kannst. Das würde jedem wehtun. Als Unternehmer tut es einem doppelt weh, weil man es gewohnt ist, einen Weg zu erkennen, wie man aus einer Problematik herauskommt. Wir haben unternehmerisch nichts falsch gemacht und gehören jetzt trotzdem zu den großen Verlierern. Wir müssen Kredite aufnehmen, um Liquidität aufzubauen, die wir normalerweise überhaupt nicht gebraucht hätten – oder wenn, dann, um neue Trampolinparks zu eröffnen. Jetzt müssen wir das Geld nehmen, um uns am Leben zu halten. Ja, wir sind die absoluten Krisenverlierer, und es gibt auch keine echte, staatliche Rettungsleine.“

… die staatliche Hilfe:

„Bei uns ist noch nichts angekommen, und es ist auch schwer, dass bei uns etwas ankommt. Es geht schon damit los, dass Hamburg seinen Unternehmen ganz anders hilft als Schleswig-Holstein oder Niedersachsen oder Mecklenburg-Vorpommern. Und die Kreditanstalt für Wiederaufbau – was passiert denn da? Das Geld wird verteilt über die Banken, die viel zu wenig Mitarbeiter haben, um die Hunderttausenden von Anträgen zu bearbeiten, die gerade reinkommen. Wie soll das in der Abwicklung funktionieren? Gut ist, dass jetzt entschieden wurde­, dass die KfW je nach Kreditvolumen nicht für 80 oder 90, sondern für 100 Prozent der Kredite bürgt. Sonst hätten viele der Betroffenen keinen Kredit bekommen. Wir werden, glaube ich, einen erhalten. Aber wie lange die Abwicklung dauert, steht auf einem anderen Papier. Zudem werden wir lange brauchen, um diese Kredite zurückzahlen. Sie werden unsere Investitionen von morgen hemmen und uns künftig stark belasten.“

… die ideale Hilfe für Firmen wie Jump House:

„Die Firmen wurden geschlossen, um das Allgemeinwohl zu schützen. Das ist richtig gewesen, denn das Allgemeinwohl und die Gesundheit stehen über allem. Nun kippen Firmen, die vor der Coronakrise völlig gesund waren, um und kommen in große Liquiditätsprobleme, und da muss es doch im Interesse der Allgemeinheit sein, sie zu stützen. Das macht man aber nicht, indem man den Unternehmen Kredite aufbürdet, die sie über zig Jahre zurückzahlen müssen aus Einnahmen, die eigentlich für etwas ganz anderes vorgesehen sind. Die Gefahr, dass sich die Firmen überschulden, ist doch riesig. Deshalb muss der Staat sein Instrumentarium erweitern. Was wir bräuchten, sind Entschädigungen. Das geht nicht über die Banken, das ginge am besten über die Steuerbehörden. Und das Tolle ist doch, dass die genau wissen, welche Umsätze die betroffenen Firmen zuletzt gemacht haben und wie hoch die Entschädigungen sein müssen. Die Unternehmen müssten während der Schließzeit auf der Kostenseite noch besser entlastet werden, sodass weniger Liquidität abfließt. Uns fehlt aktuell ein aus meiner Sicht fairerer Lastausgleich, der die Kosten der Schließzeiten besser berücksichtigt und zwischen den Marktteilnehmern verteilt. Aktuell sind es ausgerechnet die Firmen, die dichtmachen mussten, die auch noch die Rechnung dafür bezahlen müssen, dass das Allgemeinwohl hochgehalten wird. Und noch einmal: Dass wir das Allgemeinwohl schützen, ist unbedingt richtig.“

… den Unterschied zwischen Freizeit- und Industrieunternehmen, die auch schließen müssen:

„Wir werden den Umsatz, den wir jetzt jeden Tag verlieren, nicht nachholen können. Der ist weg, ein für alle Mal. Deshalb brauchst du jetzt Geld: Entweder nimmst du das aus Beständen, die du in der Firma hast, die dir aber dann für Investitionen in der Zukunft fehlen. Oder du nimmst Schulden auf. Das ist doch wirklich kein Programm für die breite Masse.“

… seine Arbeitstage in der Krise:

„Ich stehe wahnsinnig früh auf, weil ich im Moment sowieso nicht schlafen kann. Ich führe viele Gespräche mit Vermietern unserer Trampolinparks, um dort einvernehmliche Lösungen zu erzielen, und mit Anwälten. Dann habe ich das Bankenthema und versuche, Zukunftspläne zu machen, obwohl ich nicht weiß, wann ich wieder aufmachen darf. Ich weiß ja nicht mal, wie sich die Kunden künftig verhalten werden. Immerhin kann ich all das, was ich jetzt mache, von zu Hause aus machen. Und stelle dabei erfreut fest: Homeoffice funktioniert viel besser, als ich mir das gedacht habe.“

... die Zeit nach Corona:

„Mit Sicherheit wird es nach der Krise nicht sofort wieder eins zu eins so sein wie vor der Krise. Auch wenn die Menschen dazu neigen, schlechte Dinge schnell zu vergessen, glaube ich nicht, dass diese Krise leicht an uns vorbeigeht – weil jeder Einzelne davon betroffen ist. Ich weiß nicht, was das Eingesperrtsein, die Angst vor Kontakten mittelfristig mit den Leuten machen.“

… die Frage, ob das Jump House nicht schnell öffnen könnte, weil in den Trampolinparks die derzeit geltenden Abstandsregeln leicht umgesetzt werden könnten:

„Wir sind wie gemacht dafür. Wir können alle Bereiche in unseren Parks so strukturieren, dass man die Abstände sehr gut einhalten kann. Es ist ja bei uns sowieso schon Pflicht, dass jedes Trampolin nur von einem Gast benutzt werden darf, was von unseren Mitarbeitern auch bisher streng kontrolliert wurde. Desinfektionsmittel gab es bei uns auch. Wir gehören ja nicht zu den systemrelevanten Bereichen, die qua Funktion relativ schnell wieder aufmachen dürfen. Deshalb müssen wir unter Beweis stellen, dass wir die jetzigen Regeln leicht und konsequent anwenden können. Das gilt für uns, das gilt für Hagenbecks Tierpark, und das gilt für das Miniatur Wunderland. Da kann man sich doch alles Mögliche vorstellen, zum Beispiel, nur eine bestimmte Zahl von Besuchern pro Stunde reinzulassen. Darüber müssen wir mit der Politik sprechen, dafür brauchen wir Hilfe. Was nicht geht, ist, dass wir für Monate geschlossen bleiben. Wer wird das auf sechs, neun, zwölf Monate durchhalten?“

… die Frage, wie er auf die Situation heute in einem Jahr blicken wird:

„In der optimistischen Variante hat das Jump House im Juni, Juli wieder aufgemacht. Wir gucken zurück, und staunen, was Politik, Staat und Gesellschaft gemeinsam geschafft haben. Es hat keinen Massenexitus von Unternehmen gegeben, und die Gesellschaft hat gelernt, mit Pandemien umzugehen.“