Hamburg. Im Podcast spricht der Chef einer Buchhandlungskette über stolze Autoren, aussterbende Lexika und die Digitalisierung.

Ausgerechnet das gedruckte Buch besteht in Zeiten der Digitalisierung wie kein anderes Medium: Wieso, weshalb, warum erklärt Christian Heymann, Chef der gleichnamigen Buchhandlungskette (14 Filialen in Hamburg und Umgebung, 220 Mitarbeiter), bei „Entscheider treffen Haider“. Das sagt Heymann über …

… sein Treffen mit Sophia Loren:

„Ich war 14 Jahre alt. Mein Vater hat damals schon Signierstunden mit berühmten Persönlichkeiten wie Curd Jürgens, Max Schmeling und eben Sophia Loren gemacht. Ich hatte die Aufgabe, Frau Loren einen Blumenstrauß ins Hotel Vier Jahreszeiten zu bringen. Das war während der Schulzeit, und mein Direktor hat mir das nur erlaubt, nachdem ich ihm versprochen hatte, ein signiertes Buch mitzubringen. Ich ging also ins Vier Jahreszeiten an die Rezeption, wo man mich natürlich nicht zu Sophia Loren vorlassen wollte. Zum Glück bekam ihre deutsche Managerin mit, dass da ein Junge war, der Blumen übergeben wollte, und nahm mich mit. Sophia Loren sah mich, nahm mich sofort in den Arm, küsste mich rechts und links. Ich roch den ganzen Tag nach ihrem Parfüm und war wirklich stolz. Und mein Direktor hat sich sehr über das signierte Buch gefreut.“

… die Zahl der Bücher in einer Buchhandlung:

„In unserer größten Filiale haben wir etwa 60.000 verschiedene Bücher, besorgen können wir mehr als acht Millionen. Jedes Jahr gibt es allein in Deutschland rund 80.000 Neuerscheinungen.“

… Lesungen und günstige Bestseller-Autoren:

„Wenn man die ganz großen Namen hat, kommt man bei einer Lesung plus minus null raus, auch weil die großen Autoren relativ preiswert sind, die verlangen keine hohe Gage für einen Auftritt. Für andere Autoren sind die Honorare dagegen ein Teil ihrer Einkünfte, auf den sie nicht verzichten können. Für uns als Buchhändler sind diese Lesungen Marketinginstrumente, Geld verdienen wir damit nicht. Was wir nicht machen, sind die sogenannten Wasserglas-Lesungen, bei denen sich ein Autor einfach nur hinsetzt und Passagen aus seinem Buch vorträgt. Autoren können ihre Bücher auch kaputtlesen.“

… das gedruckte Buch, das sich der Digitalisierung wie kein anderes Medium widersetzt:

„Alle, die behauptet haben, dass das E-Book das herkömmliche Buch ersetzen würde, haben sich geirrt. Das E-Book hat einen Marktanteil im einstelligen Prozentbereich, während das Buch gerade wieder eine Renaissance feiert. Das hat zwei Gründe. Nummer eins: Das E-Book hat dazu geführt, dass die Verlage die Ausstattung von gedruckten Büchern enorm verbessert haben. Wenn Sie mal vergleichen, wie Bücher vor sieben Jahren aussahen und wie sie heute aussehen, dann ist das ein großer Unterschied. Gedruckte Bücher sind einfach wertiger. Grund Nummer zwei: In der ganzen digitalen Welt, in der es immer flimmert und flackert, sehnen sich viele Menschen nach einem Punkt der Ruhe. Dieser Punkt ist das Buch.“

… Krimis, die an Urlaubsorten spielen:

„Die funktionieren deshalb so gut, weil viele Leute im wahrsten Sinne des Wortes an die Tatorte reisen. Und dann sind die Geschichten häufig mit der Esskultur vor Ort verbunden. Man kennt die Umgebung, fühlt sich wohl. Und wenn dort noch ein kleiner Mord passiert, wird es eben richtig interessant.“

… Autoren, die von ihren Büchern leben können:

„Das können die wenigsten, die meisten haben einen Zweitberuf. Autoren, die mehr als 100.000 Bücher verkaufen, kann man an wenigen Händen abzählen. Wenn Sie in Deutschland 10.000 Bücher verkaufen, sind Sie schon richtig, richtig gut. Der durchschnittliche Roman startet mit einer Startauflage zwischen 2000 und 5000 Stück. Und von dem Verkaufspreis erhalten die meisten Autoren ja nur ein paar Prozentpunkte. Die Produktion eines Taschenbuchs kostet übrigens maximal zwei Euro pro Stück. Die Verlage kalkulieren meist so, dass sie den Einstandspreis mal vier nehmen und so den Verkaufspreis ermitteln.“

… Männer, die keine Bücher lesen:

„80 Prozent unserer Kunden sind Frauen, weil sie einfach mehr lesen als Männer. Viele Männer etwa in meinem Freundeskreis lesen zwar täglich ihre Zeitung, nehmen aber nie ein Buch in die Hand, selbst im Urlaub nicht. Ich könnte das nicht.“

… das Unternehmen, dessen Namen man als Buchhändler nicht ausspricht:

„Amazon ist natürlich ein Thema für uns. Es ist ein unfaires Duell, weil die anders als wir in Deutschland kaum Steuern zahlen. In Zeiten, in denen wir über den Klimawandel und CO2-Ausstoß diskutieren, muss man sich zudem fragen, ob es Sinn macht, dass man sich Bücher online bestellt und nach Hause liefern lässt, die es im Buchladen um die Ecke sowieso gibt. Der Händler vor Ort kann die Bücher genauso schnell besorgen, oft hat er sie sogar vorrätig.“

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… aussterbende Bücher:

„Wir hatten früher zwölf Regale mit Lexika, heute verkaufen wir so etwas kaum noch. Auch Sprachkurse und Wörterbücher sind angesichts der digitalen Alternativen stark rückläufig.“

… Autoren, die Buchläden umdekorieren, damit ihre eigenen Werke besser zur Geltung kommen:

„Das kommt ganz häufig vor, genauso, dass Autoren nach ihrem eigenen Buch fragen oder es bestellen. Gerade wenn es das erste Werk ist, kann man das verstehen. Schwieriger wird es bei Autoren, die ihre Bücher im Eigenverlag herausbringen und bei uns verkaufen wollen. Wenn das jemand bei uns aus dem Stadtteil ist und das Buch einigermaßen vertretbar ist, dann machen wir das auch mal. Aber häufig ist die Qualität nicht so, dass wir diese Bücher unseren Kunden anbieten möchten.“

… die Lehren aus der Digitalisierung:

„Wir als Buchbranche waren mit als Erstes von der Digitalisierung betroffen, wir haben vieles von dem längst durchgemacht, was jetzt auf andere Branchen zukommt. Unsere Lehren sind: Man muss gucken, wie man das Internet für sich nutzen kann. Man muss gelassen bleiben und sich auf den Kern dessen konzen­trieren, was das eigene Geschäft ausmacht. Für uns heißt das: Wir wollen nicht der Größte, wir wollen einfach nur gut sein.“