Hamburg. Wahl-Spezial im Podcast, Teil zwei: Heute mit Grünen-Chef Robert Habeck und der Hamburger Spitzenkandidatin Katharina Fegebank.

Er könnte der erste Kanzlerkandidat der Grünen werden. Sie ist schon die erste Kandidatin für das Amt des Ersten Bürgermeisters in der langen Geschichte Hamburgs. In der zweiten Folge der Spezial-Ausgaben von „Entscheider treffen Haider“ zur Bürgerschaftswahl hat Abendblatt-Chefredakteur Lars Haider mit Robert Habeck, dem Bundesvorsitzenden der Grünen, und Katharina Fegebank gesprochen.

Das sagen Katharina Fegebank und Robert Habeck über …

… die neue Stärke der Grünen:

Habeck: „Dass die Grünen eine größere Rolle in Hamburg und in Deutschland spielen können, war Katharina und mir immer klar. Auf der Bundesebene ist es uns gelungen, interne Streitereien beiseite zu räumen und die dadurch freigewordene Energie nach außen zu wenden. Die Zeit, die wir dadurch gewonnen haben, können wir dafür nutzen, um mit Leuten im ganzen Land ins Gespräch zu kommen und in die Gesellschaft hinein zu wirken. Der Zuspruch zu den Grünen hat im Übrigen nur zum Teil mit der Klimakrise zu tun. Die Parteiendemokratie in Deutschland und vielen anderen Ländern der Welt organisiert sich neu. Wir sehen, dass die Bindekraft der Volksparteien nachlässt. Und dass liegt nicht daran, dass dort nur Pappnasen arbeiten. Es liegt daran, dass das alte Modell einer Partei für alle nicht mehr funktioniert. Es wird eine neue Form von Politik gesucht, die Verschiedenheit akzeptiert und es trotzdem schafft, handlungsfähig zu bleiben. Das ist, was die Menschen mit uns verbinden: Eine neue Form von Denken, Organisation und Macht. Das verkörpert sich in einer Parteikultur, die Mitsprache immer will, aber trotzdem klare Entscheidungen fördert. Wir sind politisch-kulturell ein anderes Angebot, als es CDU/CSU und SPD bieten können. Es ist nicht ein Themenzuspruch allein, es geht um eine andere Anmutung von Politik.“

Katharina Fegebank bekommt im Wahlkampf vor der Bürgerschaftswahl Unterstützung von Parteichef Robert Habeck.
Katharina Fegebank bekommt im Wahlkampf vor der Bürgerschaftswahl Unterstützung von Parteichef Robert Habeck. © HA | Roland Magunia

… die Tatsache, dass bisher nur Männer in Hamburg als Bürgermeister kandidiert und gearbeitet haben:

Habeck: „Dass es bisher nur Männer als Bürgermeister gab, hat nicht nur etwas mit der Geschlechterfrage, sondern auch mit einem bestimmten Politikstil zu tun. Und ohne einem der 199 männlichen Bürgermeister in der Geschichte Hamburgs zu nahe treten zu wollen: Es kann doch nicht sein, dass zu jeder Zeit alle Männer immer besser qualifiziert waren, um Hamburg zu führen, als Frauen. Das war ein strukturelles Element von Benachteiligung. Jetzt wird es Zeit, diese Gerechtigkeitslücke zu schließen. Wenn erstmals eine Frau Bürgermeisterin in Hamburg würde, wäre dies ein starkes, überfälliges Signal.“

Fegebank: „Es geht jetzt darum, den Hamburgern eine echte Wahl zu bieten. Das kann man an den Inhalten festmachen, aber eben auch am Politikstil, und daran, wie die Spitzenkandidaten persönlich agieren. Es ist Zeit für etwas anderes, für Veränderung.“

… den Blick von außen auf Hamburg:

Habeck: „Ich habe lange in Hamburg gelebt und hier studiert, insofern ist mein Blick auf die Stadt auch immer einer von innen. Hamburg ist eine Stadt mit einer ungeheuren Ausstrahlung und einem Lebensgefühl, das nach vorn weist. Die Politik hat in den vergangenen Jahren viel richtig gemacht. Hamburg ist zu einer Stadt geworden, die sich über ihre Forschung, über Wissenschaft und ihre Institutionen definiert. Das kenne ich nicht von vielen Städten.“

Fegebank: „Das Liebenswerte und die hohen Lebensqualität Hamburgs bleiben aber nur erhalten, wenn wir uns ständig weiterentwickeln und erneuern. Wir müssen aus alten Stärken neue machen. Es wird zum Beispiel keine weitere Elbvertiefung geben, wir haben 2019 mit der letzten angefangen. Wir müssen jetzt gucken, wie wir in den 20er- und 30er-Jahren unseren Wohlstand sichern, auf den zu Recht so viele stolz sind. Darum geht es mir: Aus dieser Stadt alles heraus zu kitzeln, was noch so in ihr steckt. So, wie wir das in der Wissenschaft in den vergangenen Jahren gemacht haben.“

… über Hamburg als Klimaschutz-Hauptstadt:

Fegebank: „Die Bereitschaft, nicht nur über den Klimaschutz nachzudenken, sondern auch persönlich, also am eigenen Verhalten, etwas zu verändern, ist in Hamburg stark gewachsen. Darüber zu reden ist das eine, aber Dinge im wahrsten Sinne des Wortes auf die Straße zu bringen, ist was anderes. Wir haben jetzt schon als Senat das ehrgeizigste Klimaschutzgesetz in Deutschland vorgelegt. Von unserem Erfolg bei der Wahl wird abhängen, an welcher Stelle wir noch weitergehen können. Wir wollen die Klimaschutz-Hauptstadt Deutschlands sein, ohne Wenn und Aber.“

Habeck: „Das ist eine neue Yes-we-Can-Geschichte. Wir dürfen in der Politik nicht mit Angst-Szenarien arbeiten, wie schlimm alles wird, auch wenn das Klimathema genau dazu verführen kann. Angst lähmt. Wir wollen eine kraftvolle Politik, die aus dieser Angst herausführt. Hamburg kann beweisen, dass es anders geht, dass die Menschen in dieser Stadt gemeinsam etwas gegen die Klimakrise tun und damit ein Vorbild für andere sein können. Diesen Spirit brauchen und wollen wir.“

Fegebank: „Wenn ich mit jungen Menschen darüber spreche, wie Hamburg in zehn, 15 Jahren aussieht, dann malen die keine düsteren Bilder. Die haben ein sehr positives Bild von der Zukunft, von einer Stadt, die ihren Straßenraum ganz anders nutzt, die Plätze belebt. Das finde ich absolut ermutigend und das spornt mich als Politikerin sehr an.“

… Verbote in der Politik:

Habeck: „Die Verbotsdiskussion ist albern, um nicht zu sagen, intellektuell beleidigend. Denn all die, die uns immer vorwerfen, Dinge verbieten zu wollen, sind die Weltmeister im Verbote-Erfinden – sie nennen es nur Gebote. Die Impfpflicht, die Jens Spahn eingeführt hat, ist zum Beispiel nur ein Verbot, ungeimpft in die Kita zu gehen. Permanent wird in Deutschland über Ge- und Verbote geredet, der einzige Bereich, in dem wir uns damit schwer tun, ist der Umwelt- und Klimaschutz. Denken Sie nur daran, was es für einen Aufstand gegen das Verbot der Glühbirnen gab. Die Glühbirne war auf einmal das Symbol der Freiheit. Wenn man Freiheit mit einer Glühbirne gleichsetzt, hat man die politische Flughöhe verloren.“

… autofreie Innenstädte:

Fegebank: „Als wir vor ein paar Monaten in Hamburg unsere Ideen für die autofreie Innenstadt vorgestellt haben, habe ich mit einem Sturm der Entrüstung gerechnet. Doch dann ist etwas ganz anderes passiert: Wir haben total positives Feedback erhalten, von Einzelhändlern, von Menschen, die viel in der Innenstadt sind, von allen Seiten. Denn es geht ja nicht um Autos, es geht um die Lebensqualität im Herzen unserer Stadt. Wir müssen die City insbesondere für Familien attraktiver machen. Also, ich fahre am Wochenende mit meinen Kindern woanders hin, weil ich weiß, dass es in der Innenstadt keine Spielplätze und kaum Grünflächen gibt.“

… Maßnahmen gegen steigende Mieten und Immobilienpreise:

Habeck: „Die soziale Frage unserer Zeit ist die Wohnfrage, insbesondere in den Großstädten.“

Fegebank: „Wir müssen weiter so viele Wohnungen wie es geht bauen, das ist eine Hamburger Erfolgsgeschichte. Und wir müssen noch stärker gucken, an welchen Stellen Nachverdichtungen möglich sind und wie wir an den großen Hauptverkehrsstraßen bauen können. Dort sieht eine aktuelle Studie noch ein Potenzial von 60.000 bis 80.000 Wohnungen. Wir plädieren außerdem dafür, den Anteil an sozialem Wohnungsbau zumindest in den Stadtteilen zu erhöhen, wo er noch nicht besonders hoch ist. Das alles muss mit mietrechtlichen Maßnahmen flankiert werden. Den Berliner Weg mit einer Deckelung der Mieten wollen wir ausdrücklich nicht gehen, den empfinden wir als kontraproduktiv.“

… den Vorschlag der Grünen im Bezirk Nord, keine Einfamilienhäuser mehr zu bauen:

Fegebank: „Im Prinzip ist das ein guter Ansatz. Es geht nicht um bereits vorliegende Bebauungspläne, sondern um welche, die erst noch erstellt werden müssen. Dabei muss man gucken, um welche Stadtteile es geht, sind die hochverdichtet oder eher nicht?“

… den Vorwurf der FDP, die Grünen gäben sich die Fassade der Bürgerlichkeit, seien aber in Wahrheit eine linke Partei:

Habeck: „Lassen Sie mich dazu zwei Dinge sagen. Erstens: Bürgerlich zu sein bedeutet in Zeiten, in denen die Demokratie unter Druck gerät, für die Rechtsstaatlichkeit einzustehen und zu kämpfen. Bürgerlich bedeutet nicht, ein großes Auto zu fahren oder einen schicken Anzug in Talkshows zu tragen. Wenn man von einer bürgerlichen Partei spricht, dann geht es nicht um Lifestyle, sondern um den Kern unserer Verfassung. In diesem Sinn sind die Grünen vielleicht im Moment die bürgerlichste Partei in Deutschland. Zweitens: Wenn man die Zukunft gewinnen will, dann ist das nicht mit den Mitteln der Vergangenheit möglich. Progressive Politik heißt, anders zu denken und Dinge zu ändern. Dazu kann man auch links sagen, wenn man will. Die Warnung vor Parteien, die die Politik verändern wollen, fällt auf die zurück, die diese Warnungen aussprechen.“

Fegebank: „Es geht darum, die Demokratie zu verteidigen und Haltung zu zeigen. Da finde ich so eine Sitzgruppendiskussion total langweilig. Das hat nichts mit Politik im Jahr 2020 zu tun.“

… den Einsatz von Annalena Baerbock und Robert Habeck im Hamburger Wahlkampf:

Habeck: „Wir werden viel in Hamburg sein, auch wenn die Hamburger mit dem starken Team unsere Hilfe nicht brauchen. Es macht einfach Spaß, gemeinsam Wahlkampf zu führen und sich unterzuhaken.“

Fegebank: „Ihr müsst euer Licht nicht unter den Scheffel stellen. Unsere Bundesspitze ist hier herzlich willkommen, wir haben die Luftmatratzen schon ausgerollt. Die Unterstützung gibt uns Schub und Kraft. Denn die Themen, die uns hier bewegen, bewegen die Menschen in Deutschland und überall auf der Welt.“

Habeck: Die Hamburger Wahl ist zuallererst für Hamburg da, entscheidend ist, ob es zum ersten Mal in der Geschichte eine Erste Bürgermeisterin und eine grün-rote Regierung gibt. Aber genau dieses Signal wäre natürlich über Hamburg hinaus zu vernehmen: Ein großstädtische, weibliche strategische Alliierte für Baden-Württemberg, das eher konservativ ist, wäre aus grüner Sicht ein wunderbarer Erfolg.“