Hamburg. Neue Folge von „Dem Tod auf der Spur“: Der Brasilianer Matheus A. ist verschwunden – dann wird bekannt, dass er schon lange tot ist.

Er kam nach Deutschland, um hier sein Glück zu finden. Stattdessen fand Matheus A. den Tod. Der Brasilianer war erst 29 Jahre alt, als er 2019 umkam. Dass er einem Verbrechen zum Opfer gefallen und gestorben ist, hat seine Familie erst mehrere Monate später erfahren.

„Monatelang hatten die Angehörigen gehofft und gebangt, sich an den verzweifelten Wunsch geklammert, dass Matheus A. hoffentlich wohlauf ist“, sagt Rechtsmediziner Klaus Püschel im Abendblatt-Crime-Podcast „Dem Tod auf der Spur“ mit Gerichtsreporterin Bettina Mittelacher. „Dann schließlich kam für die Schwester und die Mutter des jungen Brasilianers die entsetzliche Gewissheit: Er ist tot, schon seit Langem. Rund vier Monate hatte der Leichnam des Informatikers in einer Wohnung eines Mehrfamilienhauses in der Innenstadt gelegen.“

Verbrechen Hamburg: Leiche vier Monate in Wohnung versteckt

Die Familie hatte nun traurige Gewissheit. Für die Ermittler aber war der Fall um den Tod des jungen Opfers noch lange nicht abgeschlossen. „Natürlich stand der Mann, in dessen Wohnung am 20. Januar 2020 der Leichnam des Brasilianers gefunden wurde, im Verdacht, etwas mit seinem Tod zu tun zu haben“, erklärt Mittelacher. Es war die Wohnung von Marco T., einem 46-Jährigen. „Es ist einer dieser besonderen Fälle, wo jemand verhindern will, dass der Leichnam entdeckt wird“, erläutert Püschel. „Dann treffen diese Menschen Vorkehrungen, um gegen den Verwesungsgeruch vorzugehen. Wir haben Fälle erlebt, in denen sehr viel Duftspray genutzt wurde. Und die Fliegen werden immer wieder weggesaugt. Oder der Leichnam wird mit etwas abgedeckt und die Tür möglichst luftdicht verschlossen.“

Vor Gericht musste sich später Marco T., der Mieter der Wohnung, verantworten. Die Staatsanwaltschaft warf dem 46-jährigen unter anderem Mord vor. Laut Anklage hat Marco T. den Brasilianer, den er zuvor auf einer Feier kennengelernt hat, am 21. September 2019 unter einem Vorwand in seine Wohnung gelockt. Im Schutz seiner vier Wände soll Marco T. seinem Gast dann heimlich eine potenziell tödliche Dosis von Ecstasy und Amphetaminen in ein Getränk gemischt haben. Dann habe der 46-Jährige an dem betäubten Mann sexuelle Handlungen vornehmen wollen.

„Er fiel wie ein Stein auf mein Bett“

Das Opfer habe sich jedoch gewehrt und laut um Hilfe geschrien. „Aus Angst vor Entdeckung“, so die Vorwürfe weiter, habe der 46-Jährige das Opfer zum Schweigen bringen wollen und mit erheblicher Gewalt auf dessen Mund und Hals eingewirkt – so massiv, dass der 29-Jährige starb. Neben dem Mord an Matheus A. wird dem Angeklagten ein zweites Verbrechen vorgeworfen: Er soll einen weiteren Mann sexuell missbraucht und verletzt haben.

Der Tenor der Aussage des Angeklagten: Er sei nicht schuld am Tod des Brasilianers. Marco T. behauptete, sein junger Gast habe selber und freiwillig Drogen genommen und sei dann aggressiv geworden. Es sei zu einem Handgemenge gekommen. Plötzlich sei der 29-Jährige „schlagartig ruhiger“ geworden. „Er fiel wie ein Stein auf mein Bett“, sagte der Angeklagte. Er sei selber erschöpft gewesen und eingeschlafen. „Als ich wieder wach wurde, lag er regungslos neben mir. Er war blau angelaufen. Ich habe versucht, ihn zu reanimieren. Mir wurde aber schnell klar, dass er verstorben war.“

Ecstasy, Amphetamin, Kokain und Speed nachgewiesen

Er habe Angst vor Durchsuchungen der Polizei gehabt und sich deshalb entschlossen, den Leichnam zu verbergen. Über diverse Drogen, die die Polizei in seiner Wohnung fand, sagte der Angeklagte, das Rauschgift gehöre nicht ihm. Übernachtungsgäste, die er regelmäßig beherbergt habe, hätten die Drogen in seiner Wohnung vergessen. „Es gab zahlreiche Gäste“, betont Mittelacher. „Im Rahmen der Ermittlungen wurde herausgefunden, dass in den vier Monaten, in denen der Leichnam in der Wohnung lag, mindestens 17 Besucher dort übernachteten. Sie schliefen quasi Wand an Wand mit einem Toten. Und haben offenbar nichts davon gewusst.“

Bei der Obduktion und der toxikologischen Untersuchung des Leichnams konnten in der Rechtsmedizin gefährliche Substanzen nachgewiesen werden, darunter Ecstasy, Amphetamin, Kokain und Speed. „Möglich ist, dass dieser Mix ein Herz-Kreislauf-Versagen des 29-Jährigen ausgelöst hat“, erläutert Püschel. Auch Gewalteinwirkungen gegen Mund und Hals des Mannes wurden festgestellt. Was aber genau seinen Tod verursacht hat, konnte nicht mehr herausgefunden werden.

Marco T. nahm den Tod seines Opfers in Kauf

Am Ende verhängte das Schwurgericht lebenslange Haft gegen den Angeklagten. Das Opfer sei entweder an einer Kombination mehrerer Drogen gestorben oder aber an einer Verletzung in der Tatnacht – oder durch ein Zusammenspiel von beidem. Der Angeklagte habe dem 29-Jährigen Drogen verabreicht. „Er wollte an ihm sexuelle Handlungen vornehmen, während das Opfer in seiner Abwehr beeinträchtigt ist“, sagte die Richterin.

Dann habe sich der 29-Jährige gewehrt, und Marco T. habe dessen Schreie unterbinden wollen, indem er mit Gewalt auf den Mund des Opfers einwirkte. Wer auf jemanden, der verschiedene Betäubungsmittel intus hat, körperliche Gewalt anwendet, so die Richterin, „nimmt auch in Kauf, dass der Tod eintritt“.