Hamburg. Seit 2012 sitzt er in Haft – im Crime-Podcast mit Prof. Püschel wird erklärt, warum der Fall Martin N. immer noch nicht zu Ende ist.

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Nur die Augen sind zu sehen. Alles andere verwischt sich mit dem Halbdunkel des Schlafsaals. Ein Mann mit einer schwarzen Maske, die sein Gesicht verbirgt, hat sich des Nachts an den Ort gepirscht, wo sich Kinder am sichersten fühlen. Nun sitzt er dort am Bett neben ihnen, jagt ihnen Angst ein und berührt sie unter der Bettdecke. Er ist der fleischgewordene Albtraum, einer der erschreckt, missbraucht, der einige seiner Opfer auch verschleppt und schließlich ermordet.

Über etliche Jahre hat der Maskenmann Kinderzimmer, Schullandheime und Internate heimgesucht. Zwei Jahrzehnte verstreichen nach seiner ersten Tat, bis er endlich gefasst und verurteilt wird. Es werden ihm drei Morde und der sexuelle Missbrauch von Kindern in neun Fällen nachgewiesen.

Püschel: "Der Fall des Maskenmanns hat mich 20 Jahre beschäftigt"

Das Schwurgericht verhängt lebenslange Haft und stellt die besondere Schwere der Schuld fest. Womöglich wird der Verbrecher für immer hinter Gittern bleiben. „Der Fall des Maskenmanns hat mich 20 Jahre beschäftigt – so lange wie kaum ein anderer“, erzählt Rechtsmediziner Klaus Püschel im Abendblatt-Crime-Podcast „Dem Tod auf der Spur“ mit Gerichtsreporterin Bettina Mittelacher.

„Ich war von Beginn an involviert, habe geholfen, eines der getöteten Opfer aus seinem sandigen Grab in den Dünen zu bergen. Und ich wurde über all die Zeit immer wieder kontaktiert, weil neue Fälle hinzukamen und weitere Ermittlungsansätze gesucht wurden. Am Ende war ich dabei, als der Täter zwei Jahrzehnte später endlich vor Gericht stand.“

1992 wird ein Junge aus einem Internat verschleppt

Wer hat Angst vorm Maskenmann? Schon die ersten Taten, bei denen Kinder von einem unheimlichen Typen erzählen, der sie betatscht, sind zutiefst erschreckend. Als erstmals im Februar 1992 ein Junge aus einem niedersächsischen Internat verschleppt wird und nur ein Schlafanzug zurückbleibt, nimmt das Entsetzen noch weiter zu. Zwei Wochen später wird der Leichnam des 13-Jährigen entdeckt.

„Wir von der Hamburger Rechtsmedizin waren von vornherein befasst mit dem Verschwinden des Jungen“, schildert Püschel. „Als Todesursache stellten wir schließlich Ersticken durch Strangulation fest.“ In den nächsten Jahren werden in Niedersachsen in Schullandheimen und Zeltlagern immer wieder Jungen missbraucht, die meisten von ihnen sind im Grundschulalter.

Die Leiche eines Achtjährigen wird in den Dünen entdeckt

„Viele Jahre später schildert eines der Opfer, was diese Jungen durchgemacht haben“, erinnert sich Mittelacher. Das Opfer hat erzählt: „Sie müssen sich vorstellen, Sie liegen im Bett, wachen auf. Ihnen wird der Mund zugehalten. Der Täter ist maskiert und zeigt eine Waffe. Das Herz fängt an zu schlagen“, weil man überhaupt nicht wisse, was passieren wird.

Im Sommer 1995 kommt es zum nächsten Mord. Ein Achtjähriger wird entführt, sein Leichnam Wochen später in den Dünen an der Grenze Dänemarks verscharrt entdeckt. Der dritte ähnlich gelagerte Mord wird an einem Neunjährigen im Jahr 2001 verübt. Nun endlich wird der Fall als Serie erkannt und eine Sonderkommission gegründet.

Erst 2011 wird der Täter festgenommen – er ist bereits einschlägig bekannt

Doch es dauert noch weitere zehn Jahre, bis man dem Täter auf die Spur kommt und ihn im April 2011 schließlich festnehmen kann. Der 40-Jährige gesteht die drei Morde an den Jungen sowie etliche weitere Missbrauchstaten.

Es ist ein gebürtiger Bremer, der lange in der Jugendbetreuung sein Geld verdient hat. Schon vor seiner Verhaftung ist er mehrfach polizeilich aufgefallen, unter anderem wegen Erpressung sowie geringfügigerer sexueller Vergehen. Außerdem wurden bei ihm Tausende Fotos mit kinderpornografischen Darstellungen gefunden.

Der Maskenmann wurde im Januar 2021 nach Frankreich ausgeliefert

Im Oktober 2011 beginnt der Mordprozess gegen den Maskenmann. In einer von seinen Verteidigern verlesenen Erklärung des Angeklagten heißt es: „Ich bin entsetzt über meine Taten und empfinde tiefe Scham und Reue.“ Er habe die Opfer „aus Angst vor Entdeckung“ ermordet. Er sei sich bewusst, dass er für „unbeschreibliches Leid“ verantwortlich sei.

Am 27. Februar 2012 schließlich das Urteil zu lebenslanger Freiheitsstrafe mit besonderer Schwere der Schuld. Auch das Gericht spricht in der Urteilsbegründung von dem schweren Leid der Angehörigen. Dem Täter sei es gelungen, sein Doppelleben zu verbergen. „Er hatte eine Tag- und eine Nachtseite.“

Der Fall ist, obwohl der Täter seit Langem seine Strafe verbüßt, tatsächlich noch nicht zu Ende. Der heute 50-Jährige wurde im Januar 2021 wegen eines möglichen weiteren Verbrechens nach Frankreich ausgeliefert. Der Maskenmann soll im April 2004 in der Bretagne einen Jungen nachts aus einem Schullandheim entführt und umgebracht haben. Nun soll Martin N. auch in Frankreich zur Rechenschaft gezogen werden.