Hamburg. Rechtsmediziner Klaus Püschel spricht im Podcast über den deutschlandweit bekannten „Wetterfrosch“ und eine infame Unterstellung.

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Es bleibt immer etwas hängen. Schon vor fast 2000 Jahren hat der griechische Schriftsteller Plutarch festgestellt, dass Verleumdung nicht folgenlos bleibt. Auch wenn sie aufgedeckt wird, ist der Makel nicht beseitigt. Diese antike Erkenntnis trifft auch in unserer Zeit zu.

Einer, der das durchleben und durchleiden musste, ist der deutschlandweit bekannte Wetterexperte Jörg Kachelmann. Bis zum Februar 2010 haben ihn die meisten als charmanten Fernsehmann gekannt. Und dann, plötzlich, hat sich das halbe Land gefragt, ob er vielleicht ein Vergewaltiger ist. „Um es ganz klarzumachen: Er ist es nicht“, sagt dazu Rechtsmediziner Klaus Püschel im Abendblatt-Crime-Podcast „Dem Tod auf der Spur“ mit Gerichtsreporterin Bettina Mittelacher. „Ich sage das nicht, weil ich ihn für einen netten Kerl halte, sondern weil es in einem Prozess eindeutig festgestellt wurde. Dafür hat der heute 62-Jährige jahrelang vor Gericht gekämpft.“

Kachelmanns langjährige Geliebte hatte ihn beschuldigt, sie vergewaltigt zu haben

Publik wurde der Fall Kachelmann mit dessen Festnahme am 20. März 2010. Kachelmanns langjährige Geliebte Claudia D. hatte ihn beschuldigt, sie sechs Wochen zuvor vergewaltigt, ihr dabei ein Messer an den Hals gehalten und ihr mehrere Verletzungen zugefügt zu haben. Bei der Polizei zeigt sie ihre Verletzungen, unter anderem rötliche Schürfungen am Hals und Hämatome an den Oberschenkeln.

132 Tage muss Kachelmann im Untersuchungsgefängnis bleiben, bis er auf freien Fuß kommt. Hintergrund ist ein Gutachten, das Mängel in der Aussage der 36-Jährigen sieht. Trotzdem wird vom 6. September 2010 der Prozess verhandelt, in dem Kachelmann Vergewaltigung im besonders schweren Fall sowie gefährliche Körperverletzung vorgeworfen wird. Im Verfahren kommt es zu diversen rechtsmedizinischen Gutachten.

Ein erster Sachverständiger ist unentschlossen, ob Claudia D. tatsächlich Opfer ist oder ob sie sich die Verletzungen selbst beigebracht hat. Andere Experten aus Münster und Köln halten es eher für Selbstverletzungen. Auch Püschel: „Am Hals handelte es sich um oberflächliche Hautabschürfungen, aber keinesfalls um mit einem Messer zugefügte Schnitt- oder Stichverletzungen“, so der Rechtsmediziner.

Gegen den Makel, dass Zweifel bleiben, wehrt sich Kachelmann

„Und ein überfallartiges Geschehen kann ich ausschließen. Die Abdrücke an den Oberschenkeln sind sehr viel wahrscheinlicher durch Schläge mit einer Faust entstanden. Hätte Kachelmann auf das Opfer eingeboxt, hätte er dazu das Messer beiseitelegen müssen. Es bestehen viele Anhaltspunkte für Manipulation.“ Schließlich spricht das Landgericht am 31. Mai 2011 Kachelmann frei — nach dem Grundsatz: Im Zweifel für den Angeklagten. Die Verdachtsmomente hätten sich zwar im Laufe der Verhandlung „abgeschwächt, aber nicht verflüchtigt“.

Gegen den Makel, dass Zweifel bleiben, wehrt sich Kachelmann jedoch. Er erhebt eine Schadenersatzklage gegen die Frau, deren Beschuldigungen ihm mehr als vier Monate Gefängnis eingebracht haben. Er fordert einen Teil der Gutachterkosten zurück. Aber es geht ihm nicht vordringlich um Geld. Sein Kalkül: Wenn er diese Zivilklage gewinnt, könnte das als Nachweis gewertet werden, dass Claudia D. gelogen hat.

Eine Verbrecherin schwingt sich zu einer Ikone des Feminismus auf

Ein weiterer Rechtsmediziner, ein Experte aus Frankfurt, wird als Gutachter bestellt. Und dieser Sachverständige kommt zu dem Schluss, dass die Kratzer und blauen Flecken bei der Frau relativ oberflächlich und einheitlich gewesen waren und sich jeweils an Orten befanden, die Rechtshänderin Claudia D. mit ihrer Arbeitshand gut erreichen konnte. Damit seien die typischen Merkmale für Selbstverletzungen erfüllt gewesen.

Am Ende verurteilt das Oberlandesgericht 2016 Claudia D. zur Zahlung von mehr als 7000 Euro Schadenersatz plus Zinsen. In der Urteilsbegründung führt der Senat aus, er sei davon überzeugt, dass die Frau ihren früheren Geliebten Kachelmann „vorsätzlich, wahrheitswidrig der Vergewaltigung bezichtigte“. Aus ihrer „aufgewendeten kriminellen Energie“ folge, „dass es ihr darauf ankam, die Verhaftung des Klägers herbeizuführen“. Sie habe Hassgefühle gehegt.

Claudia D. nennt das Urteil im Anschluss einen „Justizskandal“. Aber auch Wettermoderator Kachelmann hat das Urteil kommentiert. Er erzählt, er habe das Vertrauen in den Rechtsstaat zurückgewonnen. Und er sagt: „Eine Verbrecherin schwingt sich zu einer Ikone des Feminismus auf. Das ist die größtmögliche Verhöhnung, die man echten Opfern von Vergewaltigungen zuteilwerden lassen kann. Sie zieht die echten Opfer in Zweifel.“