«Nichts zu bedauern»

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New York (dpa) - So früh flog Roger Federer seit neun Jahren nicht bei den US Open raus. Gegen Tomas Berdych leistete er sich ungewohnt viele Fehler. Für immer verabschiedet hat sich Andy Roddick. Auch nach dem Kohlschreiber-Aus schwelt der deutsche Davis-Cup-Zoff weiter.

Roger Federer trommelte ungeduldig mit den Fingern auf dem Tisch und wollte diese Fragerunde so schnell wie möglich hinter sich bringen. In einer tiefdunkelblauen Trainingsjacke saß der 31-Jährige nach seinem Viertelfinal-Scheitern bei den US Open vor den Journalisten und versuchte, die soeben erlebte sportliche Enttäuschung zu erklären. Einige Stunden zuvor hatte Philipp Kohlschreiber nebenan in dem nicht annähernd halb so großen Interviewraum Nummer drei Platz nehmen müssen - doch das Aus gegen den starken Serben Janko Tipsarevic interessierte nur am Rande.

Federer sah indes aus, als hätte er am früheste US-Open-Aus seit neun Jahren noch ein ganze Weile zu knabbern. «Ich hätte gerne besser gespielt. In so vielen Momenten habe ich gedacht, heute läuft es einfach nicht. Es war ein enttäuschendes Match für mich», resümierte der Weltranglisten-Erste aus der Schweiz nach der am Ende überraschend klaren 6:7 (1:7), 4:6, 6:3, 3:6-Niederlage gegen den an Nummer sechs gesetzten Tomas Berdych am Mittwochabend (Ortszeit).

Der Tscheche brachte den 17-maligen Grand-Slam-Turniersieger mit seinen gefährlichen Aufschlägen, seinem soliden Grundlinienspiel und seiner Konzentration bis zum letzten Punkt fast zur Verzweiflung. Insgesamt leiste sich Federer 40 unerzwungene Fehler. Nach 2:42 Stunden feierte Berdych im 16. Duell mit Federer den fünften Sieg - aber schon den vierten in den vergangenen sieben Vergleichen.

Statt der Neuauflage des Wimbledon-Finals und des Olympia-Endspiels kommt es im Halbfinale von Flushing Meadows am Samstag zum Duell zwischen Berdych und dem Briten Andy Murray. Federer wird dann ebenso wie Kohlschreiber längst aus New York abgereist sein - der eine mit der bitteren Viertelfinal-Pleite im Kopf und dem Wissen um die Fragen, die nun wieder kommen werden. «Ich habe schon hundertmal gesagt, dass ich ein tolles Jahr hatte. Wieder Nummer eins, Sieg in Wimbledon, eine olympische Medaille für die Schweiz», sagte Federer. «Aber jetzt muss ich nicht darüber reden. Ich habe das Match verloren, das beschäftigt mich jetzt.»

Der andere flog als ausgebooteter Davis-Cup-Spieler heim, der im Zoff mit Teamchef Patrik Kühnen inhaltlich nicht nachgeben wollte. «Was ich gesagt habe, da gibt es nichts zu bedauern», sagte Kohlschreiber. Auf die Frage, ob er sich eine gemeinsame Zukunft mit Kühnen im deutschen Davis-Cup-Team vorstellen könne, sagte der 28 Jahre alte Augsburger: «Solche Sachen werde ich beantworten, wenn es an der Zeit ist.» All die Querelen der vergangenen Monate haben beide Seiten aber in eine verfahrene Situation manövriert.

«Das ist eine traurige Geschichte, dass wir es nicht schaffen, unsere besten Spieler zu überzeugen, Davis Cup und Olympia zu spielen oder spielen zu wollen», sagte Altstar Boris Becker und schlug vor: «Vielleicht sollten sich beide Seiten im Oktober mit ein bisschen Abstand auf ein Bier treffen und alles in Ruhe besprechen.»

Vor dem Abstiegsduell gegen Australien vom 14. bis 16. September in Hamburg wollte sich Kohlschreiber aber erst einmal etwas aus der Schusslinie nehmen. «Alles, was ich jetzt sage, ist Gift. Ich hätte gerne geholfen und will jetzt überhaupt keine Unruhe mehr reinbringen», sagte der Weltranglisten-20. «Die Jungs können jetzt keine Nebenschauplätze gebrauchen.»

Fast zur Nebensache geriet angesichts des Federer-Scheiterns der endgültige Abschied von Andy Roddick. Juan Martin del Potro hatte die undankbare Aufgabe, den 30 Jahre alten Amerikaner in die Tennis-Rente zu schicken. Mit dem 6:7 (1:7), 7:6 (7:4), 6:2, 6:4-Erfolg im Achtelfinale beendete der Argentinier die Laufbahn des New-York-Champions von 2003 und sagte hinterher auf dem Platz nur: «Danke für den Respekt. Und jetzt genießt den Moment mit ihm.»

Roddick kämpfte während seiner Dankesworte lange tapfer gegen die Tränen. Aber als er schließlich zum Himmel blickte und seinem früheren Manager Ken Meyerson dankte, der 2011 mit 47 Jahren gestorben war, da konnte er nicht mehr. Roddick weinte, winkte ins Publikum und sagte: «I love you all. Thank you, goodbye.»

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