Knapp vier Wochen nach dem gewaltsamen Tod der 16- jährigen Deutsch-Afghanin Morsal O. in Hamburg hat der Jugendausschuss der Bürgerschaft über Konsequenzen aus der blutigen Tat diskutiert.

Hamburg. Vertreter der Sozial-, der Schul-, der Justiz- und der Innenbehörde analysierten am Dienstag zusammen mit Parlamentariern aller Fraktionen die Hintergründe des als "Ehrenmord" durch die Medien gegangenen Dramas. Morsal O. war Mitte Mai von ihrem Bruder erstochen worden, weil er den Ermittlungen zufolge mit dem Lebensstil der Schwester nicht einverstanden war. Auf eigenen Wunsch war das von der gesamten Familie misshandelte Mädchen kurz zuvor ausgezogen und lebte zuletzt in einem Jugendhaus.

Sozialsenator Dietrich Wersich (CDU) nahm die Behörden im Ausschuss in Schutz. Die Sozialdienste stünden vor dem Dilemma, einerseits im Fall der Fälle intervenieren zu sollen, andererseits aber die Unversehrtheit der Familie achten zu müssen. Er wies SPD- Vorwürfe zurück, die Behörden hätten Morsal zu ihrem Schutz auch gegen ihren Willen in einer geschlossenen Unterkunft unterbringen müssen. Das sei bei einem 16-jährigen Mädchen, das gerade um seine Freiheit von der Familie kämpfe, unmöglich. In Obhut sei sie jedoch durchaus gewesen, allerdings nicht zwangsweise. Ein Vertreter seiner Behörde betonte, eine derartige Unterbringung wäre rechtlich problematisch und fachlich kontraproduktiv gewesen.

Im Zuge der Ermittlungen hatte sich herausgestellt, dass Morsal O. über Monate von ihrer gesamten Familie misshandelt worden war. Laut einer Antwort des Senats auf eine schriftliche Anfrage der SPD wurde die 16-Jährige von ihren Eltern, einer Schwester und ihrem kleineren Bruder geschlagen, gewürgt und getreten. Erst wenige Tage vor Morsals Tod hatte der Vater seine Tochter erneut getreten. Als das Mädchen daraufhin die Wohnung der Familie im Stadtteil Rothenburgsort verlassen wollte, hielt sie ihr kleinerer Bruder fest und würgte sie. Zuvor war nur bekannt gewesen, dass Morsal wiederholt von ihrem älteren Bruder zusammengeschlagen worden war.

Kurz nach der Tat hatte der schwarz-grüne Senat unter anderem angekündigt, künftig werde schon beim leisesten Verdacht auf Konflikte um Lebensstile in religiös-patriarchalischen Familien immer vom schlimmsten Fall ausgegangen. Ein Vertreter der Schulbehörde sagte im Ausschuss, konkret hätte Morsals Schule kaum mehr tun können. "Die Schule hat sich auf die Erstzuständigkeit des Jugendamtes verlassen." Künftig gelte aber für alle Schulen, dass etwa eine telefonische Abmeldung der Kinder - Morsal war für längere Zeit nach Afghanistan geschickt worden - nicht mehr möglich ist.

"Damit ist verbrieft, dass eine Familie sich hinsetzen muss und etwas aufschreiben muss." Angedacht sei dabei auch ein Beratungsgespräch. Auch sollen Lehrer gezielt fortgebildet werden.

Vor Beginn des Ausschusses hatte der SPD-Migrationsexperte Bülent Ciftlik dem schwarz-grünen Senat vorgeworfen, nicht an einer rückhaltlosen Aufklärung interessiert zu sein. "Ich fürchte, der Senat wird weiterhin mauern, taktieren und verheimlichen", sagte der SPD-Migrationsexperte "Spiegel online". Das hätten Schulsenatorin Christa Goetsch (GAL) und Wersich (CDU) schon einmal bewiesen, "als sie auf einer Landespressekonferenz alles Mögliche erzählt haben, nur nicht Details zur Leidensgeschichte von Morsal und zum mehrfach vorbestraften Bruder". Ciftlik sagte, damit machten die Verantwortlichen deutlich, dass ihnen die eigene Ungeschorenheit wichtiger sei als Aufklärung. "Damit das trotzdem geschieht, werden wir alle parlamentarischen Mittel einsetzen", kündigte er an.