Von Götz Georges Dankesrede aus dem letzten Jahr sind vor allem die Satzteile “schnell zum Ende bringen“ und “Hunger“ in Erinnerung geblieben. Bei Marcel Reich-Ranicki dürfte es “schlimm, dass ich das erleben musste“ und “Blödsinn“ werden.

Köln. So wurde die Verleihung des Ehrenpreises auch in diesem Jahr wieder zum unfreiwilligen Höhepunkt der Veranstaltung.

Klare Worte statt Tränen der Rührung. Dabei fing es so nett an: Moderator Thomas Gottschalk lobte überschwänglich: "Mir persönlich haben Sie gezeigt, dass ein geistreicher Mensch auch ein unterhaltsamer Mensch sein kann", und stützte den 88 Jahre alten Literaturpapst unter viel Applaus und Standing Ovations auf dem Weg zum Rednerpult. Dort angekommen, wetterte Marcel Reich-Ranicki los: "Ich nehme diesen Preis nicht an. Ich gehöre nicht in diese Reihe."

Zu diesem Zeitpunkt lag die Verleihung des Deutschen Fernsehpreises in den Endzügen, und wie man später hörte, muss der Ehrenpreisträger in den vergangenen zweieinhalb Stunden mit zunehmender Unruhe auf seinem Platz hin- und hergerutscht sein. Da kann sich so einiges aufstauen. "Ich habe nicht gewusst, was mich hier erwartet", fuhr er fort und ließ sich aus über den "Blödsinn, den wir hier heute Abend zu sehen bekommen haben". Ein paar Minuten lang war man nicht ganz sicher: War das abgesprochen - oder meint er das ernst? Schließlich hatte bisher noch kein einziger Gag spontan gezündet. Also abwarten. Erst als die Kamera das blasse Gesicht von Markus Schächter einblendete, war klar, dass auch der ZDF-Intendant von diesem Ausbruch überrascht wurde.

Es war das einzige Mal während der Verleihung, dass Moderator Thomas Gottschalk glänzte. Er improvisierte ein spontanes Friedensangebot und schlug Reich-Ranicki vor, in einer einstündigen Sendung mit den Senderchefs von ARD, ZDF und RTL über die Qualität im Programm zu diskutieren. Über das, was dem deutschen Fernsehen fehlt. "Literatur", raunzte Reich-Ranicki und erklärte, etwas besänftigt, dass er zwar skeptisch, aber durchaus bereit zu einer solchen Sendung sei. Die Plexiglas-Statue jedoch wollte er nicht an sich nehmen. Das musste Katharina Trebitsch für ihn tun, die Hamburger Produzentin seiner Autobiografie "Mein Leben", die ihn zur Verleihung und beim fluchtartigen Abgang begleitete.

Elke Heidenreich, deren Literaturmagazin "Lesen!" ebenfalls im ZDF läuft, kommentierte den Abend am Sonntag in heftiger Deutlichkeit für die Onlineausgabe der "FAZ": "Wie jämmerlich die dargebotenen Produkte und Arbeiten in der Mehrzahl waren, wie jämmerlich unser Fernsehen ist, wie arm, wie verblödet, wie kulturlos, wie lächerlich. (...) Man schämt sich, in so einem Sender überhaupt noch zu arbeiten. Von mir aus schmeißt mich jetzt raus, ich bin des Kampfes eh müde. Ich schäme mich, ich entschuldige mich stellvertretend für alle Leidenden an diesen Zuständen, und derer sind auch in diesen verlotterten Sendern noch viele, bei Marcel Reich-Ranicki für diesen unwürdigen Abend."

Nichtsdestotrotz: Die Stimmung war gut. Veronica Ferres konnte sich nach zwei Nominierungen dieses Mal über den Preis als beste Schauspielerin freuen, bei den Männern siegte Misel Maticevic. Wie erwartet wurde "Contergan" als bester Film ausgezeichnet. Die Aufmerksamkeit nahmen rund ein Dutzend Demonstranten zum Anlass, am roten Teppich gegen die Pharmafirma Grünenthal zu protestieren.

Später, auf der After-Show-Party, hätte man sich zu Elke Heidenreich in die Davidoff-Lounge setzen oder Nina Hoger bemitleiden können, die immer wieder in die Kamera prosten musste. Am liebsten hätte man mit Marcel Reich-Ranicki geredet, aber der hatte kein Interesse mehr an Nudeln mit Scampi. Die von Gottschalk angeregte Sondersendung ist unterdessen genehmigt und soll noch in dieser Woche aufgezeichnet werden. Reich-Ranicki hat bereits zugestimmt. Den Preis, erklärte er gegenüber der Nachrichtenagentur AP, habe Katharina Trebitsch in Verwahrung genommen. Er wolle ihn definitiv auch in Zukunft nicht haben.