Die 46 Jahre alte kolumbianische Politikerin wurde zusammen mit drei Amerikanern und elf weiteren Geiseln von Soldaten mit einem Täuschungsmanöver in der südlichen Dschungel-Provinz Guaviare gerettet.

Bogota. Mehr als sechs Jahre nach ihrer Verschleppung durch linke Farc-Rebellen ist die französisch-kolumbianische Politikerin Ingrid Betancourt wieder frei. Bei der Aktion sei kein Schuss gefallen. Betancourt dankte weinend der Armee und erklärte, die Entwicklung sei ein Zeichen dafür, dass es in Kolumbien künftig wieder Frieden geben könne.

Die an der Befreiungsaktion beteiligten Soldaten gaben sich als Sympathisanten der Rebellen aus, die die Geiseln zu Rebellenchef Alfonso Cano hätten bringen sollten. "Wir wurden gezwungen, in Handschellen den Hubschrauber zu besteigen, das war sehr demütigend", berichtete eine zwar blasse, aber über das ganze Gesicht strahlende Betancourt auf dem Luftwaffenstützpunkt in Bogota über den Ablauf der Aktion. "Dann, plötzlich, haben sie die beiden Rebellen, die mit uns an Bord waren, entwaffnet und der Leiter der Operation schrie: 'Wir sind die kolumbianische Armee und Sie sind frei!'... Der Hubschrauber stürzte fast ab, weil wir angefangen haben zu klatschen und zu schreien und auf und ab zu springen."

Die Politikerin hatte sich im Februar 2002 mitten im Wahlkampf um das Präsidentenamt befunden, als sie im Süden des Landes zusammen mit ihrer Mitarbeiterin Clara Rojas von Anhängern der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (Farc) verschleppt wurde. Zuletzt gab es Ende vergangenen Jahres ein Lebenszeichen von ihr: Auf einem Video war eine abgemagerte und gefesselte Betancourt als gebrochener Mensch zu sehen, der kein Wort sprach. Spätestens da wurde die Mutter zweier Kinder zum Symbol für alle verschollenen Farc-Geiseln im kolumbianischen Dschungel.

Kolumbiens Verteidigungsminister Juan Manuel Santos ezeichnete den Militäreinsatz zur Befreiung der Geiseln als beispiellos. "Er wird in die Geschichte eingehen für seine Kühnheit und Effektivität." Der kolumbianische Geheimdienst habe Mitarbeiter in die Rebellenbewegung eingeschleust. Betancourts Befreiung ist auch ein großer Triumph für Kolumbiens Präsidenten Alvaro Uribe, der gegenüber den Rebellen seit Jahren eine harte Linie vertritt und sie mit Hilfe der USA zuletzt auch in die Defensive drängen konnte.

Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy, der sich zuletzt persönlich für Betancourt eingesetzt hatte, sagte, ein sechs Jahre währender Alptraum sei zu Ende. US-Präsident George W. Bush gratulierte Uribe, ebenso wie die Präsidenten Chiles, Brasiliens und Perus.

Anfang Juni hatte Venezuelas Präsident Hugo Chavez den neuen Farc-Anführer Cano zur Freilassung aller Geiseln aufgefordert. Bewaffnete Guerilla-Bewegungen seien nicht mehr zeitgemäß, sondern gehörten der Geschichte an. Schon zu Jahresbeginn ließ die Farc auf Vermittlung von Chavez mehrere Geiseln frei, die sie zum Teil seit Jahren im Dschungel gefangen gehalten hatte.

Die Farc ist die älteste noch bestehende linke Rebellengruppe Lateinamerikas und hatte einst 17.000 Kämpfer. Sie finanziert sich nicht nur durch Entführungen, sondern auch durch den Kokain-Handel. Zuletzt mussten sie aber empfindliche Verluste hinnehmen. So töteten kolumbianische Soldaten Anfang März im Dschungel Ecuadors die Nummer zwei der Gruppe. Zudem desertierte eine prominente Kommandeurin der Farc und erklärte öffentlich, die Organisation befinde sich in der Auflösung.