Über Kontaktanzeigen suchte Lydia L. gezielt nach wohlhabenden Rentnern, die sie dann betäubte und von ihrem Komplizen ersticken ließ.

Göttingen. Die Ursache für den "abgrundtiefen Männerhass" der "Schwarzen Witwe" habe das Landgericht Göttingen nicht finden können, sagte der Vorsitzende Richter Dirk Amthauer. Doch dass die 69 Jahre alte Ex-Prostituierte ihren Gehilfen Siggi S. angewiesen hat, vier ältere Männer umzubringen, weil sie an deren Geld kommen wollte, stehe fest: Lydia L., so urteilte das Schwurgericht am Mittwoch, muss wegen vierfachen Mordes lebenslang hinter Gitter. Siggi S., der von der 69-Jährigen "pathologisch abhängig" und damit vermindert schuldfähig war, erhielt für drei Morde und einen Totschlag zwölf Jahre Haft.

In Männern habe Lydia L. "nichts anderes als Geldquellen" gesehen, sagte Amthauer. In vier Schritten habe sie diese Quellen zum Sprudeln gebracht. Zunächst schaltete sie Kleinanzeigen, in denen sie alte, einsame Herren suchte, denen sie liebevolle Zuwendung versprach. Wer vermögend wirkte, wurde von Lydia L. in ihr Haus nach Bodenfelde geholt und im zweiten Schritt umgarnt. "Das kann sie gut", sagte Amthauer. Das Ziel: Das Geld der Senioren. "Ausnehmen, das kann sie noch besser." Es sei so "zu einer kaum fassbaren schnellen Abfolge von Beziehungen" gekommen. Immer wenn sie knapp bei Kasse war, habe Lydia L. nach dem Motto gehandelt: "Ich brauch mal wieder 'nen Opa."

Wenn die Rentner Ansprüche stellten oder gar Sex wollten, habe es im dritten Schritt "offene Unfreundlichkeit" gegeben. Zum Ruhigstellen wurden heimlich Medikamente ins Essen gemischt. Dann kam die "Abschiebung aufs Zimmer". Lydia L. sei dabei gegenüber den älteren Männern "ohne jedes Mitleid gewesen und nur auf ihren Vorteil bedacht", sagte Amthauer.

Schon bevor das erste Opfer starb, habe die Frau zahlreiche Männer nach dem immer gleichen Muster kennengelernt, sie zum Teil auch geheiratet und sich schnell wieder scheiden lassen. Finanziell war die Masche erfolgreich. Insgesamt habe Lydia L. von älteren Herren mehr als 500 000 Euro kassiert. Dass weitere Summen geflossen sind, könne das Gericht nur vermuten. Bis heute bezieht sie zudem als Witwe eines der Ermordeten Witwenrente.

Schritt vier im System sei schließlich Mord gewesen, sagte Amthauer. Wenn sie anders nicht an deren Vermögen kam, hätten die Männer sterben müssen. "Für Geld ist sie über Leichen gegangen." Doch dazu habe sie Siggi S. gebraucht, "einen im Leben gescheiterten Menschen", der ihr hörig war.

Die vier Morde in den Jahren 1994 bis 2000 verliefen dabei alle nach demselben Schema. Lydia L. betäubte die Opfer mit Tabletten, die sie den Senioren in die Erbsensuppe mischte. Siggi S. musste die wehrlosen Männer ersticken und die Leichen beseitigen. Zwei Tote zündete er an Straßenrändern in Südniedersachsen und Nordthüringen an, einen Mann vergrub er in dessen eigenen Garten. Beim vierten Opfer, das Lydia L. kurz vor dessen Tod geheiratet hatte, stellte ein Arzt einen natürlichen Tod fest.

Hätte Siggi S., um sein Gewissen zu erleichtern, im vergangenen Sommer nicht bei der Polizei ein Geständnis abgelegt, wäre die "kaum fassbare Mordserie" wohl nie aufgeklärt worden, sagte Amthauer. Denn Lydia L. habe ihr "großes geistiges Potenzial genutzt, um perfekte Verbrechen durchzuführen". Da das Gericht bei der 69-Jährigen die "besondere Schwere der Schuld" feststellte, kann Lydia L. nicht damit rechnen, nach 15 Jahren in die Freiheit entlassen zu werden.

Siggi S. bleibt eine lebenslange Haft erspart, weil er nach Überzeugung des Gerichts psychisch von Lydia L. abhängig und damit nicht vollständig schuldfähig war. Außerdem habe er echte Reue gezeigt. Zudem halten die Richter das Geständnis des 53-Jährigen, in dem er Lydia L. belastet, für "absolut glaubwürdig". Alles was der 53-Jährige gesagt habe, sei "von Wahrheitsliebe getragen".

Die Version von Lydia L., wonach ihr Gehilfe die Männer aus Eifersucht allein getötet und sie nun wegen seiner unerfüllten Liebe zu ihr des Mordes bezichtige, glaubt das Gericht nicht. Die "Schwarze Witwe", wie sie in Anlehnung an eine Spinne genannt wird, die ihr Männchen nach der Paarung frisst, will das Urteil nicht anerkennen. Ihr Anwalt kündigte noch im Gerichtssaal Revision an.