Von Madeleine McCann fehlt seit ihrem Verschwinden am 3. Mai 2007 aus einer Ferienwohnung im portugiesischen Praia da Luz jede Spur.

Das Poster der kleinen Madeleine im Fenster eines Londoner Pubs ist verblasst. Der Besitzer will es trotzdem hängen lassen. "Die Eltern tun mir leid", sagt er, "ich bringe es nicht übers Herz, das Bild abzunehmen". Allerdings frage er sich, ob Maddie heute noch so aussehe. "Kinder verändern sich schnell", sagt er schulterzuckend. Am 12. Mai ist Madeleines fünfter Geburtstag. Ein Jahr nach ihrem Verschwinden hoffen Kate und Gerry McCann, dass ihre Tochter doch noch gefunden wird. "Ich denke, dass sie wahrscheinlich noch lebt", sagte Gerry McCann in einem BBC- Interview. Es gebe keinerlei Beweise für ihren Tod.

Von Madeleine fehlt seit ihrem Verschwinden am 3. Mai 2007 aus einer Ferienwohnung im portugiesischen Praia da Luz jede Spur. In dem Ferienort an der Algarve-Küste erinnert ein Jahr später nichts mehr an das Drama. Im Pub neben der Dorfkirche schauen britische Urlauber sich Fußballspiele im Fernsehen an. "Ab und zu fragen Touristen nach dem Gebäude, aus dem Madeleine verschwand", erzählt die Andenkenverkäuferin Rita Fonseca. Der Fischer João Sardinha ergänzt: "Für uns geht das Leben weiter wie eh und je. Die Leute von hier haben im Laufe der Zeit von dem Fall genug bekommen."

Für die Eltern gab es immer wieder Hoffnungsschimmer: Madeleine sei in Marokko, Belgien oder Mexiko gesehen worden, hieß es. Aber keiner der Hinweise brachte einen Durchbruch. Über den Stand der Ermittlungen können selbst die McCanns nur rätseln. "Wir wissen noch nicht einmal, ob die portugiesische Polizei überhaupt noch nach Maddie sucht", sagte Gerry McCann. Die Polizei lässt sich nicht in die Karten schauen und hüllt sich - unter Berufung auf die in Portugal geltende Nachrichtensperre - in Schweigen.

Die Fahnder waren ursprünglich davon ausgegangen, dass Madeleine von einem Lösegeld-Erpresser oder Sexualtäter gekidnappt wurde. Im August nahmen die Ermittlungen eine dramatische Wende, nachdem in der Ferienwohnung Spuren von Blut entdeckt worden waren. Daraus zog die Polizei den Schluss, dass das Mädchen wahrscheinlich in der Wohnung zu Tode gekommen war. Die Eltern wurden offiziell als "Verdächtige" eingestuft. Die McCanns wiesen alle Verdächtigungen zurück.

Die Eltern tun alles, damit das Interesse der Öffentlichkeit am Schicksal ihrer Tochter nicht einschläft. Nach Maddies Verschwinden brachten sie eine Suchkampagne von nie dagewesenem Ausmaß in Gang. Sie nutzten die Medien und das Internet, und zwei Wochen später hatten mehr als 50 Millionen Menschen weltweit die Internetseite findmadeleine.com besucht. Es folgten eine Audienz beim Papst und ein Auftritt vor dem Europaparlament, wo sich die McCanns für ein grenzübergreifendes Alarmsystem für vermisste Kinder einsetzten. "Die Eltern sind gut aussehend, können gut reden, und Madeleine ist ein sehr hübsches Kind", erklärt die Psychologin Kate Morris die Faszination der Öffentlichkeit für den Fall.

Den Jahrestag des Verschwindens von Madeleine hätten die McCanns gern in Portugal verbracht. Sie hatten gehofft, dass ihr Status als "Arguidos" (Verdächtige) bis dahin aufgehoben sei. Der Chef der portugiesischen Kriminalpolizei, Alípio Ribeiro, räumte im Februar selbst ein, dass die Ermittler möglicherweise etwas "voreilig" gegen die Eltern vorgegangen seien. Aber die Polizei ließ den Verdacht bis heute nicht fallen.

Im Gegenteil: Die Fronten erhärteten sich. Weil die Kinder der McCanns in der Nacht von Madeleines Verschwinden unbeaufsichtigt in der Ferienwohnung waren, solle Kate McCann wegen Vernachlässigung angeklagt werden, berichteten portugiesische und britische Medien. Rechtsexperten halten eine Anklage für unwahrscheinlich, aber die McCanns wollen nicht nach Portugal zurück, bis alle Anschuldigungen fallen gelassen werden.

Neben den McCanns gilt der in Portugal lebende Brite Robert Murat noch immer als verdächtig. Zwei Augenzeugen hatten ausgesagt, er habe kurz vor Madeleines Verschwinden in der Nähe der Ferienwohnung eine Zigarette geraucht. Der Immobilienhändler bestritt dies immer. Für die Presse wurde Murat jedoch zu "Freiwild", erklärt der Medienexperte John Hawksley. Eine Londoner Anwaltskanzlei hat im Auftrag von Murat eine Verleumdungsklage gegen elf britische Zeitungen vorbereitet. Sollte sie Erfolg haben, könnte Murat eine Rekordsumme von umgerechnet 2,5 Millionen Euro erhalten.

Der Alltag der McCanns, ihr Familienleben, wird noch immer von Madeleines Verschwinden dominiert. "Kate und Gerry haben das alles noch nicht verkraftet", sagte Gerrys älterer Bruder John der "Daily Mail". "Gerry geht wieder arbeiten, aber wenn er nach Hause kommt, kümmert er sich noch stundenlang um die Suchkampagne."