Die Staatsanwaltschaft verlangte zudem, die besondere Schwere der Schuld festzustellen. Eine vorzeitige Haftentlassung würde damit unwahrscheinlich

Bonn. Der mutmaßliche Vergewaltiger und Mörder der 14- jährigen Hannah soll nach dem Willen der Anklage lebenslang hinter Gitter. Zudem müsse die besondere Schwere der Schuld festgestellt werden, forderte Staatsanwalt Michael Hermesmann heute in seinem Plädoyer vor dem Bonner Schwurgericht. Dies würde eine vorzeitige Haftentlassung deutlich erschweren. Der 25 Jahre alte Angeklagte hatte gestanden, Hannah Ende August entführt, vergewaltigt und erstochen zu haben. Ein psychiatrischer Gutachter hatte ihm volle Schuldfähigkeit attestiert. Die Verteidigung erkannte den Mordvorwurf an, plädierte aber gegen die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld. Das Urteil soll am 6. Dezember bekanntgegeben werden.

"Es ist eine qualvolle Tötung. Man könnte das Wort abschlachten benutzen", sagte Hermesmann zum Tathergang. Über das Motiv könne nur spekuliert werden. In den Vernehmungen und auch im Prozess hatte der Angeklagte gesagt, er habe wissen wollen, wie es sei, Sex mit einer Frau zu haben. Auf die Frage, warum er nach vielen Jahren im homosexuellen Milieu auf diese Idee gekommen sei, hatte er gesagt: "Ich habe keine Erklärung."

Hannahs Vater, der als Zeuge gemeinsam mit seiner Frau vor Gericht erschienen war, sagte über seine Tochter: "Der Welt ist ein Mensch verloren gegangen, der eine große Freude am Leben hatte und die er nun nicht mehr weitergeben kann." Er schilderte seine Tochter als offen, fantasievoll und lebensbejahend. Seine Frau, Hannahs zwei ältere Schwestern und er selbst nähmen noch immer psychologische Hilfe und Beratung in Anspruch. Weder er noch seine Frau könnten arbeiten, die beiden Kinder gingen derzeit nicht zur Schule.

"Wir können den Alltag kaum bewältigen", sagte der 48-Jährige. Seine Familie stehe vor einer unlösbaren Situation. Hannahs Schwestern litten unter Alpträumen, in denen sie mit starken Ängsten zu kämpfen hätten. Die Veröffentlichung der Tat-Einzelheiten habe die Angst noch verstärkt.

Der Angeklagte blickte die Eltern seines Opfers bei deren Eintreten in den Gerichtssaal nur kurz an, dann legte er die Hände vor das Gesicht und senkte den Kopf. In seinem Schlusswort sagte er: "Die ganze Sache tut mir wirklich leid." Sein Verteidiger forderte, Tat und Täter getrennt zu betrachten. Mit 17 Jahren sei sein aus Tschechien stammender Klient von zu Hause weggelaufen, weil er zwei Schachteln Zigaretten gestohlen hatte. Dann sei er in Prag direkt in die Stricherszene geraten und von einem deutschen Sextouristen nach Deutschland verschleppt worden, der ihn nur benutzt habe. Davon sei sein Klient geprägt worden.

Seinen Lebenspartner, einen 53 Jahre alten Busfahrer aus Königswinter, hatte der Angeklagte im Jahr 2000 in Prag kennengelernt. Damals arbeitete er in einer als Homosexuellentreff bekannten Bar. 2004 zog er zu seinem Freund nach Königswinter. Es sei Liebe gewesen, hatte der Angeklagte am ersten Prozesstag ausgesagt, und ein wenig auch die Hoffnung auf eine Anstellung in Deutschland. Die Beziehung sei mittlerweile beendet. Unter dem Bett des Angeklagten hatten die Ermittler bei der Durchsuchung eine Sexpuppe sowie Sexmagazine entdeckt, in denen Frauen abgebildet waren.

Der psychiatrische Gutachter Wolf Gerlich sagte, die Partnerschaft mit dem Busfahrer sei in den sieben Jahren in "träges Wasser" geraten. "Die Sexualität war die Klammer des Verhältnisses." In seiner Situation und bei dem dominanten Lebenspartner sei der junge Mann in den vergangenen zehn Jahren zwar älter, aber nicht unbedingt reifer geworden. "Die Frage der sexuellen Identität hat offenbar den Boden vorbereitet, sich mit Gewalt eine Frau zu nehmen", sagte Gerlich. Der Angeklagte sei voller Schuldgefühle. Er habe keine pädophile oder sadistische Neigung bei ihm entdecken können. Gerlich geht davon aus, dass es sich um eine Einzeltat handelte, die nur in dieser bestimmten Konstellation geschehen konnte.