„Bäh“, sagt der Amtsrichter und schüttelt sich fast vor Ekel. Seit mehr als zwei Jahrzehnten verhandelt er über Verstöße gegen das Lebensmittelgesetz. Doch was er am Donnerstag auf den Richtertisch bekommt, dreht selbst ihm fast den Magen um.

"Wollten Sie die Gäste alle umbringen?", fragt er die 56-jährige Angeklagte. Die Chefin eines Traditionsrestaurants am Hamburger Großneumarkt ließ zu, dass in ihrem Lokal Speisen aus vergammelten Lebensmitteln serviert wurden - die zudem aus einer total verdreckten Küche stammten. 7200 Euro Geldstrafe muss die Frau dafür zahlen, weit mehr, als der Staatsanwalt fordert.

Ob Räucherlachs, Schinken, Hühnchenbrust, Spaghetti, Gulasch, Chili con Carne, Spare Rips, Gemüse oder Reis - fast alles, was Lebensmittelkontrolleure bei einem Routinebesuch im März in dem Restaurant fanden, war verdorben, oft voller Keime und Bakterien und zum Teil gesundheitsgefährdend. "Wenn man sich das so ansieht, ist das praktisch der gesamte Bestand der Speisekarte", sagt der Richter.

Gelagert und zubereitet wurden die Speisen in einer Küche, deren Fußboden von Lebensmittelresten übersät war, in der Schimmel an den Wänden hoch kroch, in der die Kühlschränke nicht richtig kühlten und in der es weder Seife noch Handtuch am Waschbecken gab.

"Es tut mir entsetzlich leid, ich hätte das sehen müssen", sagt die Angeklagte. Im September 2006 hat die zierliche Frau das Lokal als Geschäftsführerin übernommen, aus Liebe zu ihrem Partner, dem Spross einer Gastronomenfamilie. Sie sei da in eine völlig andere Welt geraten, meint die frühere Anwaltsgehilfin, wohl überfordert gewesen. Wirklich erklären kann sie nicht, warum sie das alles so laufen ließ. "Sie sind doch Hausfrau, sie wissen doch, wie eine Küche aussehen muss", wirft der Richter ihr vor.

Als die Prüfer des Hygieneinstituts kommen, ist die 56-Jährige erleichtert. "Sie hat sich quasi dafür bedankt, dass jemand gekommen ist", hält der Staatsanwalt der Angeklagten ebenso zugute wie ihr reuiges Geständnis. Einen solchen Saustall aber habe er seit langem nicht gesehen. "Dass hier niemand zu Schaden gekommen ist, ist für mich kaum nachvollziehbar", sagt er. Dennoch will er es bei einer Strafe von 3600 Euro belassen.

Der Verteidiger bittet um noch mehr Milde. Der Richter aber urteilt weitaus strenger. "So etwas habe ich in meinem richterlichen Leben noch nicht gesehen oder gehört", begründet er seine Entscheidung. "Unvorstellbar, was das für Verhältnisse gewesen sind."

Schon einen Tag nach der Kontrolle waren das Restaurant gesäubert und der Koch entlassen, bis auf kleinere Dinge gab es seitdem nichts mehr zu bemängeln. "Das war mal ein In-Lokal, da tobte der Bär", sagt der Richter. Jetzt laufen die Geschäfte eher mäßig. Ihr Restaurant sei "ein schöner Schein", sagt die Chefin. "Wir werden es verkaufen."