Hamburg. Der Pinneberger Kay P. schildert, wie er mit seinem BMW Opfer eines Unbekannten wurde, der einen Gegenstand von der Brücke warf.

Nach einer Firmentagung im Empire Riverside Hotel (St. Pauli) fährt Kay P. am vergangenen Sonnabend mit seinem 5er BMW nach Hause, in Pinneberg wohnt der KFZ-Mechatroniker nahe der Autobahn. Die Strecke kennt er aus dem Eff-Eff, seit vier Jahren pendelt er fast jeden Tag bis zu einem Autohaus an der Holsteiner Chaussee. Zwölf Kilometer hin, zwölf zurück. Der 26-Jährige freut sich auf einen Abend mit seiner Verlobten – tatsächlich hat er riesiges Glück, dass er überhaupt zuhause ankommt.

Gegen 21.30 Uhr wechselt er von der A7 bei Eidelstedt auf die A23 in Richtung Norden. Nur einige Hundert Meter hinter der Ausfahrt steht eine Brücke, der Hörgensweg führt hier über die Autobahn. Als er sie passieren will, sieht er, wie etwas von oben auf sein Auto fällt. Im gleichen Moment hört er einen Knall. „Der Wagen ruckelte, ich muss noch über etwas drübergefahren sein“, schildert Kay P. den Vorfall am Dienstag dem Abendblatt. Weil es nur noch wenige Kilometer bis nach Hause sind, überprüft er den Schaden erst dort. Ein Stein hat die Stoßstange getroffen und den Kühler durchschlagen. „Ich hörte vorne ein Zischen, der Kondensator der Klimaanlage wurde beschädigt“, sagt Kay P. Den Schaden an seinem Kombi-BMW, Baujahr 2014, schätzt er auf 3500 bis 4000 Euro. Der faustgroße Stein steckt noch im Blech. „Ich war total schockiert, konnte erst gar nicht realisieren, was da überhaupt passiert ist.“ Sofort alarmiert Kay P. die Polizei.

Überbleibsel eines zerschmetterten Blumenkübels

Wie die Polizei ermittelt hat, handelt es sich bei dem Stein um ein Überbleibsel eines zerschmetterten Blumenkübels. Reste davon stellten die Beamten auf der Autobahn und auf dem Hörgensweg sicher. „Teile dieses Kübels waren offenbar als Wurfmaterial benutzt worden“, sagt Polizeisprecher Daniel Ritterskamp. Wer die Gegenstände von der Brücke geschmissen hat, ist noch unbekannt. Derzeit geht die Polizei von einem „gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr“ aus. Je nachdem, was die Ermittlungen ergeben, kommen im weiteren Verlauf aber noch andere Straftatbestände in Betracht – darunter auch ein versuchter Mord.

Solche Fälle gibt es immer wieder, sie sind der Albtraum eines jeden Autofahrers. Häufig sind die Täter (alkoholisierte) Jugendliche, die sich am vermeintlichen Tabubruch ergötzen. 557-mal warnte die Verkehrsredaktion des ADAC 2017 vor Brücken-Steinewerfern an den Autobahnen. Hamburgs Nachbarland Niedersachsen nimmt in dieser Gefahrenstatistik den 3. Platz ein. Allein 2016 sind beim ADAC für die Autobahn-Abschnitte auf Hamburger Gebiet 35 Warnungen vor Steinewerfern eingegangen.

Junge Serientäter in Flensburg vor Gericht

"Mein liebstes Stück": Der 5er BMW von Kay P. © Kay P.

Längst nicht immer gehen Steinwürfe glimpflich aus. In Flensburg stehen aktuell zwei 19 Jahre alte Männer wegen versuchten Mordes vor dem Landgericht. Auf der A7 und der B200 bei Flensburg hatten sie von Februar bis Mai 2018 in elf Fällen Steine auf die Autobahn geworfen. Acht Autos, zwei Lastwagen und ein Bus wurden beschädigt. Am 8. Mai sollen sie einen 46 Kilogramm schweren Feldstein über die Brüstung der Autobahnbrücke Gottrupel gewuchtet haben. Der Brocken durchschlug erst die Windschutz- und dann die Heckscheibe eines 120 km/h schnellen Wagens, die Fahrerin wurde schwer verletzt. Eine der schlimmsten Attacke ereignete sich 2008 ebenfalls im Norden, als ein Heroinabhängiger einen Holzklotz bei Oldenburg von einer Brücke schmiss. Eine 33-Jährige wurde dabei vor den Augen ihrer Familie erschlagen. Der Täter bekam eine lebenslange Haftstrafe.

"Den Tod eines Menschen in Kauf genommen"

Kay P. trauert vor allem um sein beschädigtes Auto, „mein liebstes Stück“, wie er sagt. Dabei ist er nur um Haaresbreite schwersten Verletzungen oder Schlimmerem entgangen. Er hoffe, auch aus versicherungstechnischen Gründen, dass die Polizei den Täter schnell fasst. Kay P.: „Wer auch immer das war – er hat den Tod eines Menschen in Kauf genommen.“

Die Hamburger Polizei bittet Zeugen der Tat, sich unter Telefon 040/ 428652724 oder bei einer Polizeidienststelle zu melden.