Er kann es kaum fassen. Schriftsteller Joe Castleman (Jonathan Pryce) liegt mit seiner Frau Joan (Glenn Close) im Bett, als in aller Frühe das Telefon klingelt. Und ihm das Nobel-Komitee in Schweden verkündet, dass er den Literaturnobelpreis erhält. Joe und Joan Castleman freuen sich wie die Kinder. Sie toben ausgelassen im Bett. Sie scheinen das glücklichste Ehepaar der Welt zu sein. Ein Trugschluss, wie sich schon alsbald herausstellen wird.

Der schwedische Regisseur Björn Runge hat mit „Die Frau des Nobelpreisträgers“ (im Original schlicht „The Wife“) einen Roman von US-Autorin Meg Wolitzer verfilmt. Und konnte mit Glenn Close und Jonathan Pryce als gemeinsam alt gewordenes Ehepaar zwei fantastische Darsteller verpflichten, deren Gesten und Gesichter Bände sprechen. Die einem die Selbstverliebtheit des schreibenden Lebemannes und die innerliche Zer­rissenheit der Frau an seiner Seite auf bewegende, demaskierende Weise nahebringen.

Wir schreiben das Jahr 1992. Noch am selben Tag, an dem sie die Nachricht aus Schweden erreicht, laden Joe und Joan zu einem kleinen Empfang, an dem auch Sohn David (Max Irons) und Tochter Susannah (Alix Wilton Regan) teilnehmen. Der Sohn hegt selbst schriftstellerische Ambitionen, die Tochter erwartet ihr erstes Kind. Joe lobt seine Gattin in höchsten Tönen. „Ohne diese Frau bin ich nichts.“ Er kapiert nicht, wie viel Wahrheit in den Worten steckt.

Sie reisen nach Stockholm. Sohn David fährt mit. Und der Journalist Nathaniel Bone (Christian Slater), der wie eine Klette an Castleman hängt, dessen Biografie er schreiben will. Was Castleman ihm verweigert.

Aus gutem Grund, wie man später erfährt. Denn in Stockholm zeigen sich unkittbare Risse in der gar nicht so harmonischen Beziehung. Die Ehe fußt auf einer großen Lebenslüge, in der Joan stets zurücksteckte, um ihrem Mann den Weg zu ebnen. Jahrzehntelang aufgestauter Frust bricht aus und mündet in ein dramatisches Finale.

Wie Glenn Close dieser Frau Format verleiht, ist phänomenal. Rückblenden – in denen Harry Lloyd und Glenn Closes Tochter Annie Starke die Protagonisten spielen – zeigen, wie sie sich in ihren einstigen Literaturprofessor verliebt, wie er seine Frau verlässt, um sie zu heiraten. Wie sie seine Affären erträgt. Und wie sie eigene schriftstellerische Ambitionen zurückstellt. Wie sie die Texte ihres Mannes redigiert, verbessert, ja völlig neu schreibt. Einmal trifft Joan auf die Autorin Elaine Mozell (Elizabeth McGovern), die ihr davon abrät, im männerdominierten Literaturbetrieb Karriere machen zu wollen.

„Die Frau des Nobelpreisträgers“ ist großes, dialog­starkes Schauspielerkino mit einem großartigen, exquisiten Ensemble. Eine humorvolle, sarkastische und bitterböse Abrechnung mit Rollenklischees, durch die Frauen in machohafter Selbstverständlichkeit an die Seite gedrängt werden. Joan will das nicht mehr mitmachen. „Ich bin eine Königsmacherin“, sagt sie einmal. Und vielleicht klappt es ja diesmal mit einem Oscar für die großartige Glenn Close.

„Die Frau des Nobelpreisträgers“ Schweden/USA 2017, 101 Minuten, ab 6 Jahren, Regie Björn Runge, Darsteller: Glenn Close, Jonathan Pryce, Max Irons, täglich im ­Blankeneser, Holi, Koralle-Kino