Hamburg. Bei der Bayern-Wahl wurden sie in München erstmals stärkste Partei. Was das für die Hansestadt bedeutet

    Jens Meyer-Wellmann

    Nach der Landtagswahl in Bayern scheint nichts mehr unmöglich: Während die CSU auf 37,4 Prozent geschrumpft und die SPD sogar mit 9,6 Prozent auf den fünften Rang verwiesen wurde, haben sich die Grünen mit 17,7 Prozent als zweitstärkste Kraft etabliert. Mehr noch: In vielen bayrischen Großstädten haben sie sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der CSU geliefert, und ausgerechnet in der Landeshauptstadt München wurde die Ökopartei sogar klar stärkste Kraft: Mit 30,3 Prozent der Stimmen (ein Plus von 17,5 Punkten) lagen die Grünen deutlich vor der CSU (25,2/minus 11,5) und der SPD (13,6/minus 16,4).

    Insbesondere der „Rollentausch“ mit der SPD nährt die Frage: Wenn dies in München, der drittgrößten Stadt Deutschlands, möglich ist – ist es das dann auch in der zweitgrößten, in Hamburg?

    Mit Blick auf die Hansestadt, wo in 16 Monaten eine neue Bürgerschaft gewählt wird, hält der Politikwissenschaftler Kai-Uwe Schnapp von der Universität Hamburg eine solche Verschiebung der Machtverhältnisse derzeit für unwahrscheinlich. „Ich glaube nicht, dass die Grünen 2020 in Hamburg stärkste Partei werden“, sagte Schnapp dem Abendblatt. „Die SPD ist ja hier inhaltlich viel näher an den Grünen dran, deswegen kann es nicht so einen Effekt wie in Bayern oder speziell München geben, wo Wähler auch von der regierenden CSU zu den Grünen gehen.“ Außerdem komme die SPD in Hamburg von einem sehr hohen Ausgangsniveau, daher sei es unwahrscheinlich, dass sie unter das Niveau der Grünen falle, sagte Schnapp.

    In der bislang letzten Umfrage Anfang April lagen die Grünen bereits bei 18 Prozent, noch vor der CDU (16), allerdings deutlich hinter der SPD (36). Seit dem Weggang von Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) nach Berlin sind sie jedoch deutlich selbstbewusster geworden und setzen die ihnen wichtigen Punkte forsch durch – wie zuletzt den Rückkauf des Fernwärmenetzes. Zudem profitieren sie davon, dass Scholz-Nachfolger Peter Tschentscher (SPD) noch nicht die Strahlkraft seines Vorgängers erreicht hat und die CDU in Hamburg in Wahlen und Umfragen seit Jahren bei 15 bis 20 Prozent dümpelt. Zum Sturm auf das Rathaus zu blasen, davor scheuen aber selbst prominente Grüne noch zurück.

    Die Verhältnisse in Bayern und Hamburg seien nicht vergleichbar, heißt es. „Es gibt keinen Grund abzuheben“, sagte Parteichefin Anna Gallina. Das Ziel sei, besser abzuschneiden als 2015, als die Grünen 12,3 Prozent geholt hatten. „Wir wissen, dass wir noch Potenzial haben, so Gallina. „Das wollen wir heben.“ Auch Fraktionschef Anjes Tjarks hält es derzeit für unrealistisch, stärkste Kraft zu werden. „Aber wir haben eine reale Chance, mit der CDU um Platz zwei zu konkurrieren.“

    Die SPD-Führung betrachtet die Entwicklung gelassen. Sie mache sich keine Sorgen, 2020 hinter den Grünen zu landen, sagte die SPD-Landesvorsitzende Melanie Leonhard: „Die SPD in Bayern war über viele Jahre krisengeschüttelt und von personellen Auseinandersetzungen geprägt – das haben wir in Hamburg seit zehn Jahren hinter uns. Außerdem regieren wir diese Stadt seit 2011 erfolgreich, seit 2015 in einem stabilen Bündnis mit den Grünen.“

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