Wenn die Strandkörbe im Winterquartier schlummern, die Winde stärker und die Strände leerer werden, bricht für viele die schönste Zeit auf Sylt an.Abendblatt-Autorin Simone Steinhardt lebt auf der Insel und hat einige ihrer Lieblingstipps für die Nebensaison zusammengestellt

    Für einen Saunabesuch nach Sylt? Wer jetzt ungläubig den Kopf schüttelt, hat vermutlich noch nie eine Strandsauna besucht. Am nördlichsten Zipfel der Insel liegt die Strandsauna Listland, eingebettet in eines der schönsten ­Dünentäler Sylts.

    Nach dem Saunagang kommt das Beste: zum Abkühlen kreischend in die tosende Brandung rennen, wo der Atem kurz stockt angesichts der Wassertemperatur. Danach kuschelt man sich in den Bademantel und genießt das Gefühl, nie wacher und lebendiger gewesen zu sein. Bademantel und Handtücher können gegen Gebühr ausgeliehen werden. Öffnungszeiten: täglich von 11 bis 17 Uhr bis 31. Oktober. www.strandsauna-list-auf-sylt.de

    Danach bietet sich eine Entdeckungstour zum Lister Ellenbogen an, seit 1608 im Privatbesitz mehrerer Lister Familien. Das einmalige Naturschutz­gebiet erreicht man über eine holprige Straße, gesäumt von imposanter Dünenlandschaft. Auto- und Wohnmobilfahrer müssen eine Maut entrichten, Radfahrer und Fußgänger zahlen nichts. Vorsicht: Die Schafe laufen hier frei herum – und haben immer Vorfahrt. Wie ein Fingerzeig erstreckt sich der Nehrungshaken in Richtung der Nachbarinsel Rømø. Zwei Leuchttürme, endlose Weite, Stille, nur durchbrochen durch das Rauschen der Brandung am Weststrand. Ein Spaziergang dicht an der Brandungszone wirkt wie eine Inhalation: „Dort atmet man das sogenannte maritime Aerosol ein, frei von Staubpartikeln und Pollen“, erklärt der Sylter ­Allgemeinmediziner und Badearzt Günter Kirschke. Im Herbst, wenn der Wind die Gischt hochpeitscht, ist der Effekt größer als im Sommer. Hat man das Inselende schließlich umwandert, verliert man sich in der Stille und Weite des Wattenmeers.

    Kultur und Natur verbindet der Kunstpfad in Kampen

    Das pure Inselgefühl ist kaum irgendwo anders intensiver als hier. Vor allem jetzt, wenn man außer Schafen, Seehunden und vielleicht Familie Diedrichsen niemanden sonst trifft. Conni und Thomas Diedrichsen sind die Miteigentümer des Ellenbogens und die einzigen Bewohner dort draußen. Wer diesem außergewöhnlichen Lebensgefühl selbst nachspüren möchte, mietet sich in eine der Ferienwohnungen der Familie ein. Auf die Gefahr hin, danach nicht mehr in die Zivilisation zurückkehren zu wollen. www.uethoern.de, Tel. 0465-870218.

    Nach so viel innerer Einkehr bietet sich ein sanfter Übergang zurück in die Sylter Zivilisation an. In Kampen verbinden sich Kultur und Natur auf dem Kunst- und Kulturpfad entlang des Wattenmeers zu einem anregenden Zusammenspiel für Körper und Geist. Seit jeher hat das Dorf Künstler und Kulturschaffende angezogen. Insgesamt erinnern 32 verschiedene, beschriftete Bronzegussplatten an jene Kreativen und Intellektuellen, die sich in Kampen inspirieren ließen und den Ort zu dem machten, was er heute ist. Nach der Devise „Jeder Gang macht schlau und schlank“, bietet der Kampener Künstler Thomas Landt einen Spaziergang auf dem Kunstpfad an und vermittelt launig Wissenswertes über Kunstgeschichte sowie die Geschichte Kampens als Künstlerdorf. Termine unter www.kampen.de. 13 Euro. Tel. 04651-46980.

    Nach der Nahrung für den Geist ist es Zeit für einen Snack: Das Odin Deli lädt zum zwanglosen Naschen von allerhand Köstlichkeiten ein: Sylter Muscheln in Cape-Malay-Curry (16,50 Euro), Odin Fischeintopf (15 Euro) oder zünftiger Kaiserschmarrn (11 Euro). Für kleine Gäste gibt’s die Pasta Odinchen (6 Euro). Odin Deli, Strönwai 10, Tel. 04651-45455. www.odin-deli.com. Mehr Kampener Geschmack kann man sich bis zum 26. Oktober „erschlemmen“: Zehn Restaurants bieten nach der Devise „Wilder Herbst“ köstliche Menüs mit dem Besten, was der Markt saisonal im Herbst hergibt. Drei-Gang-Menü inkl. Aperitif in den teilnehmenden Restaurants: 49 Euro. Infos unter www.kampen.de. Weiter geht es nach Keitum – mit seinen utlandfriesichen Häusern, üppigen Bauerngärten und verschlungenen Pfaden eines der schönsten Dörfer der Insel. Die erste Beurkundung des Ortes „Keytum“ findet sich 1462 im Zinsbuch des Bistums Schleswig. Wer wissen möchte, welche Sylter Familien und Persönlichkeiten Keitum prägten, beginnt mit der Spurensuche auf dem Friedhof der St.-Severin-Kirche. Viele der beeindruckenden Grabmale erzählen die Geschichte der Verstorbenen. Eingesessene Keitumer Kapitänsfamilien, aber auch bekannte Persönlichkeiten wie Rudolf Augstein und Peter Suhrkamp fanden hier ihre letzte Ruhe. Kirche St. Severin, Munkmarscher Chaussee.

    Noch tiefere Einblicke in das frühere Leben der Sylter gewähren die Keitumer Heimatmuseen. Das Sylter Heimatmuseum (Am Kliff 19) in einem Kapitänshaus von 1759 führt durch die vielfältige Inselgeschichte. Angefangen von den Zeiten des Walfangs im 17. und 18. Jahrhundert bis hin zum Sylter Nachtleben nach dem Zweiten Weltkrieg. Im benachbarten Altfriesischen Haus (Kliff 13) wird die Wohnkultur um 1825 lebendig. Die Original-Einrichtung wurde weitgehend erhalten: Man sieht die Sylter regelrecht vor sich, im „Piisel“ sitzend, der guten Stube, oder sich in der „Kökken“ aus dem damals kargen Lebensmittelangebot eine Mahlzeit zubereitend. Öffnungszeiten: Mo. bis Fr. 10– 17 Uhr, Sbd., So. und Feiertage 11–17 Uhr.

    Nicht verpassen sollte man einen Spaziergang am Morsum-Kliff, einem der wichtigsten geologischen Denkmäler Deutschlands. 2006 wurde es von der Akademie der Geowissenschaften zu Hannover als „Nationales Geotop“ ausgezeichnet. Auf einer Länge von 1800 Metern und 21 Meter Höhe zeigen sich verschiedene Erdepochen. Der braunrote, vier bis fünf Millionen Jahre alte Limonitsandstein taucht das Kliff bei Sonnenaufgang in ein magisches Licht. Im Sommer ist das Morsum-Kliff oft überlaufen, daher bietet sich die Erkundungstour im Herbst an.

    Wer sich danach stärken möchte: Leckeren Kaffee und noch leckerere Torte gibt es im Café Ingwersen, eine Morsumer Institution. Nicht verpassen: die Sylter Rosentorte. Terpstich 76, www.ingwersen-sylt.de. Kleine Geschenke für Freunde und Familie gibt’s in der Sylter Seifenmanufaktur eine Straße weiter. Die Sylterin Kirsten Deppe fertigt hier in Handarbeit Seifen mit Sylter Zutaten. Außerdem gibt es im Laden ausgesuchte Accessoires kleiner Designer-Labels. Bi Miiren 11, www.sylterseifen.de Weiter Richtung Süden lockt ein Besuch des Rantumer Hafens. In den letzten Jahren haben sich hier verschiedene kleinere Unternehmen angesiedelt, darunter die Kaffeerösterei Sylt.

    Der Sylt-Heimkehrer Christian Appel röstet regelmäßig selbst – dabei kann man sogar zusehen. Termine gibt es unter www.kaffeeroesterei-sylt.de. Ein imposantes Naturschauspiel bietet sich im Herbst am Rantumbecken: Dann gehört die Bühne Millionen von Zug- und Wasservögeln, die sich Speck für den Weiterflug anfressen oder auch überwintern. Dieses Jahr wurde sogar ein Schwarzbrauenalbatros gesichtet. Zu guter Letzt und nach so viel frischer Luft könnte man sich noch eine luxuriöse Spa-Behandlung gönnen: im Hörnumer Hotel Budersand zum Beispiel. Die Behandlung „Sylt & me“ verwöhnt mit Meersalzpeeling und einer anschließenden Sylter Wattschlick-Packung. 100 Euro, www.budersand.de.