Kurt Vile ist einer der besten Liedschreiber seiner Generation – am 12.10. live im Gruenspan

    Mann, was dengelt die E-Gitarre herrlich in diesem räudigen und süßlichen Song, der wie manch anderer auf dieser großen Platte zehn Minuten lang ist und „Skinny Mini“ heißt. „She’s a little bit skinny mini/girl child old soul/she grown up real well“, eher gesprochen als gesungen – und schon nicht ganz unverdächtig klingend. Dirty old man, oder was? Später heißt es zum hypnotischen Dauergitarrenakkord: „She wanna clean up the world/ but I’m drowning in dirt/I wanna clean up the world but I can’t“.

    Mit „Bottle It In“ löst Kurt Vile alle Versprechen ein

    Die neue und wahrscheinlich auch bislang erfolgreichste Platte des Kurt Vile heißt „Bottle It In“, sie ist ein teuflisch gutes Werk von einem, den sie seit Jahren in jedem Artikel einen „Slacker“ nennen, als wäre Songwriting keine Arbeit. Und dieser Kurt Vile ist einer, der viele Lieder schreibt. „Bottle It In“ ist sein achtes Album seit 2008. Dazu kommen zwei Alben mit The War On Drugs, deren Gründungsmitglied er 2005 war. Spätestens mit „Pretty Pimpin“, dieser großen Hymne, die oberflächlich die Selbstentfremdung meint, aber auch den Müßiggang (was für ein Tag ist heute noch mal?), wurde vor drei Jahren aus einem talentierten und geschätzten Songwriter einer, der ein Versprechen ist für größere Aufgaben.

    Mit „Bottle It In“ löst Vile, der mit Frau und zwei Töchtern in Philadelphia lebt, dieses Versprechen nun ein. So konsistent und bündig, trotz der Überlänge, war noch kein Album des Meisters, der nun mit 38 Jahren bei sich und Songs wie „Bassackwards­“ angekommen ist, dem zentralen Stück der neuen Platte: ein im Seelenfeuer der Nostalgie und der Wiederkehr des Gleichen und der Leere und des Trostes zerfließender Akt der voll­endeten Melancholie. Sie ist sommerleicht, diese Melancholie, kein dunkler Brecher, sondern ein helles Schwappen: „So I was chilling out with a very drifting mind“, singt Kurt Vile.

    Er heißt ja wirklich so, und keine Pointe könnte schöner, aber auch missverständlicher sein. So wie Kurt Weill (1900–1950) wohl immer im Schatten Bertolt Brechts stand. Brecht dichtete, Weill komponierte; daraus wurden „Die Dreigroschenoper“ und „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“. Kurt Vile, dessen Band den Namen The Violators trägt, ist dagegen der Fall eines Mannes, der nur für sich selbst steht. Die „New York Times“ nannte ihn unlängst in einem Artikel „weird underground rock’s emissary to the mainstream“, den seltsamen Abgesandten des Indie in die Populär­musik.

    Nun ist Kurt Vile mal wieder auf Tour. Und es ist eine schöne Koinzidenz, dass er dabei ausgerechnet am Erscheinungstag der neuen Platte, am 12. Oktober, im Hamburger Gruenspan­ Station macht. Das gibt uns die Chance, einen der besten Songwriter seiner Generation auf der Bühne zu erleben, jenen Mann im lockigen Haar, der immer noch jung und unbesiegbar wirkt und dessen ganzer Esprit sich im noch frischen Musikvideo von „Loading Zones“ zeigt: Seine Verpeiltheit ist der Witz an der Sache, auch auf „Bottle It In“. Man hat in diesem Jahr eigentlich nichts gehört, das besser ist.

    Kurt Vile & The Violators, Meg Baird Fr 12.10., 19.00, Gruenspan (S Reeperbahn), Große Freiheit 58, Karten zu 27,15 im Vvk.; www.kurtvile.com