Die Hamburger Unternehmerin Ute Louis und Ex-Bürgermeister Ole von Beust engagierten sich für den „Spirit of Solidarity“. Von Jens Meyer-Odewald

    Es war ein Aufstieg der besonderen Art, eine außerordentliche Herausforderung – wahrlich nicht nur körperlich. Im September erklommen 80 Frauen aus 15 europäischen Ländern das Breithorn, einen Bergkamm nahe dem Matterhorn in den Walliser Alpen. 15 erfahrene Bergführer begleiteten die Teilnehmerinnen. Das Besondere an dieser dreitägigen Aktion unter Hamburger Schirmherrschaft: Alle Frauen sind von Brustkrebs betroffen.

    Wichtiger als die alpinistische, symbolträchtige Leistung ist der Erfahrungswert des Teams. Die Frauen waren gemeinsam stark, mobilisierten ihre Kräfte neu, machten sich gegenseitig Mut. Das offizielle Motto der internationalen Aktion war Programm: „Spirit of Solidarity“, Geist der Solidarität. Unter dem Strich ergaben sich zudem neue Freundschaften, Selbstbewusstsein, Lebensmut und die durch die Krankheit ins Wanken geratene Gewissheit, Außerordentliches bewältigen zu können. Auch Hamburgs ehemaliger Bürgermeister Ole von Beust stellte sich ehrenamtlich in den Dienst der Initiative und reiste nach Zermatt.

    „Gemeinschaftsgefühl und Willenskraft haben mir unglaublich geholfen“, sagt die Hamburgerin Petra Hanser-Sielaff mit dem Abstand von zwei Wochen. „Dieses Projekt ist ein Gewinn.“ Seite an Seite mit den anderen Frauen zwischen Anfang 30 und Mitte 60 Jahren war sie von Zermatt mit der Luftseilbahn auf 3800 Meter Höhe gefahren, um von dort die restlichen rund 350 Meter gen Gipfel zurückzulegen. Etwa zwei Kilometer Laufweg sind das über eine vergletscherte Schneepiste, ausgestattet mit Steigeisen, Klettergurt, Stock und Handschuhen. Alle Mitstreiterinnen trugen orangefarbene Daunenjacken mit Logo und Schriftzug „Spirit of Solidarity“. Petra Hanser-Sielaff, die auf dem Gelände des Klipper THC in Wellingsbüttel einen Hockeyshop betreibt, war eine von drei an Brustkrebs erkrankten Teilnehmerinnen aus Norddeutschland. Neben der Hamburger Lehrerin Simone Krause reiste auch Petra Wilm aus Tasdorf bei Neumünster in den Kanton Wallis. Die Dressurreiterin, die für Deutschland an Nationenpreisen teilnahm und im Deutschen Derby in Klein Flottbek ritt, hat schwere Jahre hinter sich. In solchen Situationen gilt es, ganz andere Berge zu bewältigen.

    Mit ihrer in den Alpen neu gewonnenen Freundin Martina und der Hamburger Unternehmerin Ute Louis, unter deren Patronat das zum dritten Mal nach 2008 und 2011 organisierte Ereignis stand, gehörte die Amateursportlerin zu einer von mehr als einem Dutzend Fünfergruppen, die unter Leitung von Bergführer Benedikt Perren aufwärts strebte. „Man nimmt eine Menge an Ballast mit auf diese Tour“, weiß Frau Wilm aus frischer Erfahrung; und damit meint sie nicht die Ausrüstung. „Im übertragenen Sinne konnte ich den Schritt für Schritt abarbeiten.“ Kein Wunder, dass ganz oben, in 4164 Metern Höhe, Tränen flossen. „Wir lagen uns in den Armen“, berichtet Martina Hanser-Sielaff. Als sie zur Mitte der Strapaze, bei null Grad und dünner Luft, nicht mehr konnte, Herzrasen spürte und aussteigen wollte, gaben ihr die anderen Rückendeckung. „Nein, wir packen das“, meinten sie, „da müssen wir zusammen durch.“ Und so geschah es.

    Am Vorabend, bei einem gemeinsamen Kirchbesuch, war Gottes Segen erteilt worden. Auf dem Westgipfel des Breithorns machte der Begriff Seilschaft einen positiven Sinn. Viele Teilnehmerinnen hatten Familienangehörige oder Freunde mit nach Zermatt gebracht. Zum Quintett der beiden Norddeutschen gehörte auch Bettina Borisch. In Lübeck geboren und in Kiel aufgewachsen, wirkt die Pathologin als Professorin der Medizinfakultät an der Universität in Genf. Mit Leidenschaft und Herzblut kümmert sich die agile Wissenschaftlerin mit exzellentem Netzwerk um Verbesserungen im öffentlichen Gesundheitswesen. Ihr Ziel: „Alle müssen europaweit die gleichen Möglichkeiten der Heilung haben.“ Brustkrebs, so ihre Erkenntnis durch zahlreiche Gespräche mit Betroffenen, sei nicht „wie ein Schnupfen, der irgendwann vorbei ist“. Nach Abschluss der Behandlung sei die Patientin nicht für immer geheilt, sondern müsse lernen damit zu leben. Im Schnitt erkranke eine von acht Frauen an Brustkrebs. In Deutschland gibt es pro Jahr etwa 70.000 Neuerkrankungen, davon in Hamburg fast 2000.

    Der Professorin hilft die umfassende Partnerschaft der Unternehmerin Ute Louis mit Firmensitz in Harvestehude enorm. Durch die Erkrankung und den Tod einer Freundin stieß sie auf das Thema Brustkrebs und beschloss, finanziell und ideell aktiv zu werden. „Mit dieser Aktion setzen wir gemeinsam ein Zeichen für mehr Solidarität für den Einzelnen“, sagt Louis. „Damit wollen wir zeigen, dass diese Unterstützung nie abgeschlossen sein kann, sondern dass wir weiterhin daran arbeiten müssen.“ Hand in Hand, Schritt um Schritt, mit viel Willenskraft.

    Und wie kommt Hamburgs früherer Bürgermeister in das Team? Sein Vater Achim-Helge von Beust und Detlev Louis, der verstorbene Ehemann der Hauptsponsorin, waren alte Freunde, seit Jahrzehnten. Dadurch lernte Ole von Beust Frau Louis kennen und sagte spontan seine Mitwirkung zu. Er begleitet die Initiative inhaltlich und hielt am Fuße von Breit- und Matterhorn einen Vortrag. Thema: Verantwortung von Großstädten bei der Vorbeugung und medizinischen Versorgung von Kranken. Andere Referate rundeten die Aktion ab. Nach den Vorstellungen des Teams soll das Ereignis nachwirken. Die Erinnerung an das Geschaffte, so die Hoffnung, soll sich herumsprechen – quasi als Echo vom Breithorn.