Hamburger Lehrerin hat Lernprogramm für Smartphone entwickelt

    Rund 7,5 Millionen Menschen in Deutschland, also 14 Prozent der 18- bis 64-Jährigen gelten als funktionale Analphabeten. Das heißt, sie können einzelne Sätze lesen oder schreiben, aber keine zusammenhängenden Texte verstehen. Zu diesem Schluss kam 2010 die Studie „Level-One Studie“ der Universität Hamburg. Sie ermittelte auch, dass etwa vier Prozent vollständige Analphabeten sind, also höchstens ihren Namen und einzelne Worte schreiben können.

    Als die Hamburgerin Irmgard Schwiderski darüber in der Zeitung las, stand ihr Entschluss fest. 43 Jahre lang hatte sie als Lehrerin und Rektorin einer Grundschule gearbeitet, nun wollte sie sich um die Vermittlung von Lese- und Schreibkompetenz für Erwachsene kümmern. Sie bot ihre ehrenamtliche Mitarbeit beim LernCafé der Volkshochschule an, in dem Erwachsene mit Defiziten in Rechtschreibung, Grammatik oder Rechnen in einem Lernportal am PC üben können. Irmgard Schwiderski übt dort zusätzlich mit Analphabeten, für die das Lernprogramm zu schwierig ist. Zu ihr kommen sowohl Migranten als auch Deutsche jeden Alters. Die Gründe für die Defizite der Muttersprachler sind vielfältig, sie reichen von mangelnder Unterstützung im Elternhaus und in der Schule bis zu einer Lernbehinderung. „Viele schämen sich dafür, Analphabeten zu sein und verheimlichen es. Deshalb findet auch kaum regelmäßiges Üben statt. Doch das wäre notwendig, damit das Gelernte gespeichert wird und spontan wieder abrufbar ist“, sagt Schwiderski.

    Darüber sprach sie mit ihrer Nichte Stefanie Trzecinski, die in Berlin Bildungsprojekte zur Inklusion organisiert. Sie hatte die zündende Idee: Es müsste eine App geben, zum Lesen und Schreiben lernen für Erwachsene. Denn in Zeiten, in denen jeder ein Smartphone nutzt, lässt sich mit einer App überall unauffällig üben. Irmgard Schwiderski entwickelte den Inhalt, Stefanie Trzecinski sorgte für die Realisierung. Entstanden ist die „Irmgard-App“, zunächst für Android-Geräte. In Bild und Ton werden die Lernenden in neun Abschnitten an die einzelnen Module herangeführt: von dem Schreiben einzelner Buchstaben bis zur Zusammensetzung von Lauten, Wortarten, Satzbau und Zeiten. Dazu gibt es viele Leseübungen. „Am Ende steht die Einladung, mir einen Brief zu schreiben“, sagt Schwiderski, die die Lernenden in kleinen Videos direkt anspricht und motiviert. Dabei sind ihre Erfahrungen aus dem LernCafé eingeflossen.

    Um Programmierer und Grafiker bezahlen zu können, suchten die beiden ehrenamtlich arbeitende Frauen und Sponsoren. Die ersten vier Module sind bereits abrufbar und werden von Lernenden benutzt, „jetzt steht die Finanzierung, um auch die letzten Level der für die Nutzer kostenlosen App fertigzustellen“, sagt Schwiderski. Sie freut sich, den Betroffenen damit helfen zu können und hat schon viele positive Rückmeldungen bekommen. Die App sieht sie als Ergänzung zu anderen Angeboten, wie etwa Kursen.

    Infos zur App unter: www.appirmgard.de