Nach dem Urlaub ist vor der Lüge: Um den Neidfaktor zu erhöhen, gehen viele kreativ mit der Wahrheit um

    Wir haben Herbst, die ersten Hagelattacken und Schneewehen sind ­gefühlt wenige Stunden entfernt. Jetzt ist es Zeit für eine wichtige Korrektur im deutschen Sprachschatz: „das Blaue vom Himmel herunterlügen“ kann so nicht stehen bleiben. Zumindest nicht, wenn es um Berichterstattung über den letzten, total sensationellen, rekordtemperaturhaltigen, spottbilligen Urlaub geht. Dann nämlich, so hat nun die Umfrage eines Online-Reiseportals ergeben, wird das himmlische Blau gern in den Himmel hinaufgelogen, um Bekannte und Kollegen vollzuflunkern.

    Ein Viertel der Befragten optimiert nach der Rückreise die Erinnerung ans tatsächliche Wetter; alles, was sie noch wissen: super war es, nur Sonne, ein ­absoluter Traum, vom ersten Tag an. Ein Viertel vergisst – rein zufällig, klar – den tatsächlichen Preis der Reise.

    ­Besonders schön ist die Erkenntnis, dass angeblich sechs von zehn ­Befragten „besonderen Wert auf ein breites kulturelles Angebot“ legen würden. ­Beweisfotos von liebevoll zerlesenen Thomas-Mann-Gesamtausgaben auf Sangria-Eimer-Tresen von Ballermann-Großraumdiscos sind allerdings noch nicht gesichtet worden.

    Wobei die wenigsten noch genügend Muße haben dürften, sich den Verästelungen der „Buddenbrooks“-Erzählstruktur zu widmen, weil zu jeder vollen Stunde eines dieser Irre-lecker-hier-Bilder für Facebook oder Instagram fällig ist. Erst eine sorgfältigst abfotografierte Touristenmahlzeit ist eine gute Mahlzeit. Was lernen wir also aus dieser sozialprestigewahrenden Wahrheits-Dehnübung? Im Zweifelsfall wird der Urlaub durch Fantasie schön. Und das Gegenteil soll einem erst mal jemand beweisen