Atlantic City.

Als Donald Trump die Schlüsselgewalt hatte, war das Taj Mahal das Symbol des Scheiterns in Atlantic City. Das in der Küsten-Kleinstadt von New Jersey stehende Riesencasino entpuppte sich nie als das „achte Weltwunder“, von dem der damalige Besitzer und heutige US-Präsident schwärmte, sondern nach vier Insolvenzen als Albtraum für 3000 Beschäftigte und die Stadtsteuerkasse.

Seit wenigen Wochen ist der protzige Amüsiertempel mit seinen einarmigen Banditen und für zweiarmige Zocker ausgerüsteten Black Jack- und Roulette-Tischen in den Händen der Indianer.

Der in Florida ansässige Stamm der Seminolen, Eigentümer der weltweit bekannten Kultkette der Erlebnisgastronomie Hard Rock Cafes, hat dem Taj Mahal neues Leben eingehaucht. Auch weil das oberste Gericht erst kürzlich das Sportwettenverbot aufgehoben hat. Ein Markt, den Experten auf 150 Milliarden Dollar im Jahr taxieren.

Fast zeitgleich feierte auch das 216 Meter hohe Revel, das seine 1400 Hotelzimmer 2014 schloss, unter dem Namen Ocean Resort Casino seine Wiedergeburt. Es geht wieder was in Atlantic City. Im Las Vegas des amerikanischen Ostens, wo einst Marylin Monroe und Frank Sinatra verkehrten, blüht nach langer Tristesse wieder zaghaft Optimismus.

Zahlen und Statistiken, die einem die knorrigen Besitzer der T-Shirts- und Nippesläden auf dem holzbeplankten Boardwalk am Strand bereitwillig herunterbeten, stützen die These. Im August waren zum ersten Mal seit vier Jahren wieder 30.000 Menschen in den insgesamt neun Casinos von „AC“ beschäftigt. „Das sind gut 7000 mehr als zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres“, schwärmte die Bedienung in der Szene-Pizzeria Tony Boloney’s gegenüber unserer Redaktion.

Welche Bedeutung das hat, wird bei einem Blick in die dunklen Jahren klarer. Auslöser: Benachbarte Bundesstaaten wie Pennsylvania, New York, Maryland, Connecticut und Delaware wollten ebenfalls ein Stück vom Kuchen abhaben und legalisierten das Glücksspiel. Mit dem Monopol in Atlantic City war es vorbei. Zwischen 2014 und 2016 machten fünf Casinos dicht, fast 10.000 Angestellte verloren ihren Job. Von einer Industrie, die dort 1997 rund 50.000 Menschen beschäftigte und 2006 rund 5,2 Milliarden Dollar umsetzte, schrumpfte Atlantic City binnen eines Jahrzehnts auf rund die Hälfte: 2,7 Milliarden US-Dollar.

Mit den üblichen Konsequenzen: Sinkende Steuereinnahmen führten zu noch weniger Investitionen in Schulen, Straßen und Wohnungsbau. Die Arbeitslosenquote schoss auf fast 20 Prozent. Der Anteil der Armen an der Bevölkerung (rund 38.000) kletterte auf 37 Prozent.

In den von benutzten Spritzen, Müll und kaputten Autos übersäten Seitenstraßen zwischen den Glitzerpalästen tummelten sich die Gestrandeten. „Atlantic City ist nicht der Ort, an dem man unbedingt sein will“, sagte der damalige Bürgermeister Don Guardian 2014 unserer Redaktion. Perdu.

Guardians Nachfolger Frank Gilliam ist in diesen Wochen auf Fotos mit weißem Strahlemannlächeln zu sehen. Der Demokrat mit guten Drähten zum neuen Gouverneur von New Jersey, Amerikas Ex-Botschafter in Berlin, Phil Murphy, setzt nicht nur auf die Casinos, die 40 Jahre nach Einführung des gesetzlich erlaubten Glücksspiels wieder auf dauerhaft höhere Einsätze und mehr Kunden hoffen.

Durch das Hard Rock Hotel & Casino kommen gehäuft Konzertgänger in die Stadt. Von Drake über Little Steven, Janet Jackson und Bob Dylan spielen dort so ziemlich alle Giganten der Pop- und Rockszene in diesen Monaten. Und Bruce Deifik, der für 200 Milionen Dollar das einst 2,2 Milliarden Dollar teure Revel gekauft und umgebaut hat, will die alten Zeiten reanimieren, als Atlantic City für besten Profi-Boxsport stand.

Dazu kommen Nebeneffekte, auf die man in Atlantic City lange gewartet hat. Die Boraie-Familie, Immobilienentwickler, hat unter der Adresse 600 Atlantic Avenue 85 Millionen Dollar in den Bau von schnieken Appartements investiert. „Ein Projekt, das es so seit vielen Jahren nicht mehr gegeben hat und das endlich neue Leute anziehen wird“, hört man dazu im Pier 21 an der Strandpromenade.

Seine Entsprechung findet der Neubau am anderen Ende des Boardwalks. Dort hat die Stockton University einen neuen Zweigstellen-Campus mit Meerblick für über 600 Studenten errichtet. Was Joe Kelly, den Chef der Handelskammer, nur darin bestärkt, „die Wirtschaftsstruktur der Stadt über das Glücksspiel hinaus noch stärker zu erweitern“. Atlantic Citys Botschaft an die Welt: Ihre Einsätze, bitte.