Fast ein Jahr ist es her, dass die ersten Frauen Vorwürfe gegen den US-Filmproduzenten Harvey Weinstein (66) erhoben und damit die weltweite #MeToo-Bewegung auslösten. Die Debatte über strukturellen Machtmissbrauch tobt noch immer. Jüngstes Beispiel: der deutsche Hollywoodschauspieler Thomas Kretschmann. Der 56-Jährige spricht in einem Interview über eigene Erfahrungen mit sexueller Belästigung in der Filmbranche.

„Ich habe mindestens fünf Regisseure getroffen, die mir in den Schritt gefasst haben, fassen wollten oder gern etwas anderes mit mir angestellt hätten“, sagte Kretschmann der „Bild“-Zeitung. „Ich hätte wahrscheinlich eine ganz andere Karriere gehabt, wenn ich gesagt hätte: Augen zu und durch.“ Der aus Sachsen-Anhalt stammende Schauspieler, der seit Jahren in Los Angeles wohnt und in Filmen wie „Der Pianist“ mit Adrien Brody (45) und „Operation Walküre“ mit Tom Cruise (56) mitwirkte, begrüßt die #MeToo-Diskus­sion. Über Weinstein sagte er: „Ich finde es großartig, dass jemand wie Weinstein enthauptet wurde.“ Allerdings sei es „ekelhaft“, wenn die Debatte benutzt werde, um die eigene Karriere neu zu beleben: „Wenn er einen im Bademantel in sein Hotelzimmer gebeten hat, dann hätte man als betroffene Schauspielerin ja auch sagen können: ,Ich gehe nicht mit dir ins Bett. Dann bekomme ich halt den Oscar auch nicht, weil du dann eine andere besetzt, aber egal!‘ Jeder wusste, dass Weinstein so arbeitete, es hat aber nur niemand vorher ausgesprochen.“ In seinem Beruf gehe es um zwei Fragen: „Wie sehr willst du dich prostituieren? Und wo willst du hin? Da muss jeder seine eigenen Grenzen ziehen.“

Andere Beobachter sehen die Debatte positiver. Die Autorin Margarete Stokowski (32) etwa sagte mit Blick auf den vor wenigen Tagen wegen schwerer sexueller Nötigung in drei Fällen zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilten US-Schauspieler Bill Cosby (81) im Deutschlandfunk, #MeToo schaffe ein stärkeres Bewusstsein für Machtmissbrauch.