Im Drama „Offenes Geheimnis“ verwendet Regisseur Asghar Farhadi zu viele Vorabendkrimiklischees

    Mit „Nader und Simin – eine Trennung“ gewann der iranische Regisseur Asghar Farhadi 2011 den Goldenen Bären und machte gleichzeitig die Welt bekannt mit seinem Erzählstil. Farhadi entlarvt gesellschaftliche Verhältnisse mit quasi-kriminalistischem Spürsinn auf der Leinwand. Die Rolle des Ermittlers nimmt in seinen Filmen eine bewegliche Kamera ein, als Zeugenaussagen dienen ihm lange Dialoge zwischen den Figuren, das Urteil danach muss der Zuschauer selbst fällen.

    In seinem neuesten Film „Offenes Geheimnis“ bringt jedoch ein tatsächliches Verbrechen die Dinge ins Rollen, wenn auch recht spät. Farhadi drehte nach seinem Frankreich-Ausflug „Le passé“ und der Rückkehr in den Iran mit „The Salesman“ erstmals in Spanien, und fast meint man dem Film anzusehen, dass er selbst eine Eingewöhnungszeit ins fremde Milieu benötigte. Mit langem Vorlauf werden der Ort und die Figuren etabliert.

    Der Entführungsplot will sich Farhadis Regie-Handschrift nicht unterordnen

    Penélope Cruz verkörpert Laura, die mit ihren Kindern aus Argentinien zur Hochzeit ihrer Schwester zurück ins Heimatdorf reist. Ihr Ehemann blieb daheim, was sofort Spekulationen in der weit gefächerten Verwandtschaft auslöst. Für Laura wird die Hochzeitsvorbereitung zu einer Serie von Wiederbegegnungen, die aufregendste davon ist die mit ihrer Jugendliebe Paco (Javier Bardem), den mehr an die Familie bindet als die einstige Zuneigung zu Laura.

    Die Hochzeit filmt Farhadi als ausgelassenes Fest, auf dem sich die üblichen kleinen Dramen abspielen, die schließlich als Ablenkungsmanöver erkennbar werden. Spät in der Nacht entdeckt Laura, dass ihre Tochter Irene (Carlo Campra) verschwunden ist. Eine kryptische SMS am nächsten Morgen legt den Verdacht nahe, dass der Teenager entführt wurde. Die Entführung wird zur Gewissheit, als auch Pacos Ehefrau Bea (Bárbara Lennie) eine Forderung der Kidnapper erhält. Womit gleichzeitig klar wird, dass es sich bei den Tätern um Menschen mit intimen Einsichten in Lauras Familiengeheimnisse handelt.

    Während sich Laura auf die verzweifelte Suche nach ihrem Kind macht, bei der ihr einzig Paco eine verlässliche Stütze ist, dröselt Farhadi als Regisseur nach und nach die Konflikte auf, die als Motive einer Erpressung eine Rolle spielen könnten.

    Im Film „Alles über Elly“ hat Farhadi 2009 schon einmal das Verschwinden einer Person als Ausgangssituation benutzt, um einen ganzen Freundeskreis mit seinen Vorstellungen von Liebe, Ehe und Sex aufzumischen. Der Entführungsplot in „Offenes Geheimnis“ aber will sich nie so richtig seiner Regie-Handschrift unterordnen: Einerseits ist der Vorfall zu aufwühlend, um den Zuschauer für lange Gespräche im Familienkreis empfänglich zu machen, andererseits verwendet Farhadi zu viel Vorabendkrimiklischees, um echtes Interesse zu wecken.

    „Offenes Geheimnis“ Spanien, Frankreich, Italien, 2018, 133 Min., ab 12 J., R: Asghar Farhadi, D: Penélope Cruz, Javier Bardem, Ricardo Darín, täglich im Blankeneser, Holi, UCI Mundsburg, Zeise (OmU); www.offenesgeheimnis-derfilm.de