Das Drama „Ava“ überzeugt mit starken Bildern, greift dann aber in die filmische Mottenkiste

    Die Diagnose ist vernichtend: „Dein Gesichtsfeld wird sich einengen, du wirst zuerst nachts nicht mehr sehen können und schließlich ganz erblinden.“ Die 13-jährige Ava (Noée Abita) aber erträgt sie mehr mit Trotz als Entsetzen. Wütend ist sie, in typischer Teenager-Manier, vor allem auf die Mutter (Laure Calamy), die mit ihr nicht über die Krankheit sprechen will, aber heimlich über das Schicksal der Tochter weint. Also macht Ava sich selbstständig: Ihre noch sehr wachen Augen erkunden die Urlauber-Gesellschaft an der französischen Atlantikküste, wo sie mit Mutter und kleiner Schwester die Ferien verbringt. Sie interessiert sich besonders für Juan, einen Roma-Jungen, der in ein Eifersuchtsdrama mit Messerstecherei verwickelt ist. Seinen großen schwarzen Hund rekrutiert Ava zwischendurch als Blindenhilfe.

    Das Regiedebüt der Französin Léa Mysius entwickelt sei­ne Geschichte aus dem Visuellen – aus den satten Farben von Strand, Meer und Sonne, aus dem Gegensatz von innen und außen, Nacht und Tag. Die alltäglichen Konflikte der Heldin entwickelt sich noch sehr plausibel, wie die Verachtung gegenüber der Mutter, die offen ihre eigenen Liebschaften verfolgt, und das absolute Nichtinteresse an der Schwester. Doch wo der Film Avas Lebensgefühl illustrieren will, greift er tief in die Mottenkiste der filmischen Zitate, von „Pierrot le fou“ bis „Bonnie & Clyde“ und gibt darüber seinen Realismus auf im Austausch für allerlei Kino-Manierismen, die sich selbst genug sind.

    „Ava“ F 2017, 101 Min., ab 12 J., R: Léa Mysius, D: Noée Abita, Laure Calamy, Juan Cano, Tamara Cano, Ismaël Capelot, Daouda Diakhaté, Baptiste Archimbaud, Franck Beckmann, täglich im 3001, FilmRaum; https://ava-film.de