Düsseldorf.

Rollstühle, Gehhilfen & Co. machen den Löwenanteil bei der Pflegemesse Rehacare 2018 aus: Rund 600 von insgesamt 960 Ausstellern zeigen alles, was Menschen mit Behinderung und Ältere mobil bleiben lässt. Die internationale Reha- und Pflegebranche trifft sich vom 26. bis 29. September 2018 auf dem Düsseldorfer Messegelände, um die Neuheiten kennenzulernen. Unsere Redaktion stellt eine Auswahl der aktuellen Entwicklungen vor, die von einer immer größeren Bevölkerungsgruppe benötigt werden: In Deutschland lebten Ende 2017 laut Statistischem Bundesamt rund 7,8 Millionen schwerbehinderte Menschen.

Mit den Augen sprechen

Die Augen können beim Sprechen helfen, damit Menschen mit Behinderungen sich verständlich machen – zum Beispiel bei der Kommunikationshilfe SeeTech Pro von Humanelektronik: Eine intuitiv erfassbare Software erkennt, wenn jemand Bildschirmsymbole oder Buchstaben fixiert. So wird mit den Augen ein Mausklick ausgelöst und beispielsweise ein Text zusammengesetzt, der dann über einen Lautsprecher mit einer Computerstimme erklingt. Mit dem System können in Kombination mit einer Umfeldsteuerung auch Fenster und Türen geöffnet oder geschlossen werden, man kann Licht an- oder ausschalten. Der Rollstuhl See­TechWheelchair von derselben Firma wird mit den Augen gelenkt. Etwas fürs Auge ist übrigens der Scooter Gatsby der Schweizer Rehabilitations-Systeme AG, der zeigt, dass Rollstühle auch anders aussehen können: Er hat die Anmutung eines Oldtimers, ist dem legendären Ford-T-Modell nachempfunden und hat einen um 180 Grad schwenkbaren Sitz.

Gehstock kennt seinen Standort
Ältere Menschen oder von Demenz Betroffene können die Orientierung verlieren. Die Firma Ossenberg hat deshalb eine besondere Gehhilfe, den Smart­stick, entwickelt – leicht, weil aus Carbon, und höhenverstellbar mit integrierter Elektronik: Ein GMS-Modem, eine GPS-Antenne und eine SIM-Karte der Telekom sind eingebaut, sodass der Besitzer des Gehstocks überall in Deutschland und in Europa lokalisiert werden kann. Außerdem wurde ein Notrufsystem integriert, sodass zum Beispiel die Angehörigen oder die Polizei angerufen werden können.

Reha-Sitz für die Reise

Eltern behinderter Kinder haben auf gemeinsamen Reisen viele Probleme: Der Nachwuchs soll sicher Platz nehmen und weder in Bus oder Bahn noch im Auto oder im Restaurant vom Sitz oder Stuhl rutschen können. Um dies zu verhindern, hat der Reha-Hersteller Thomashilfen einen transportablen, faltbaren Reha-Reiseautositz entwickelt, der auch im Flugzeug ins Handgepäck passt. Der Sitz ist ausgelegt für Jungen und Mädchen von 15–36 Kilo und hat einen stabilen, gepolsterten Schutzrahmen. Kopf- und Seitenpelotten unterstützen das Kind bei der aufrechten Körperhaltung, während unter anderem ein Positionierungsgurt das Herausrutschen verhindert.

Maschinen zum Anziehen:

Die Beine und der Rumpf sind sicher eingefasst von einem stützenden Gerüst, das therapeutisch beim Stehen und Gehen hilft – das ist die Idee von Indego, einem Exoskelett der Firma Parker Hannifin. Das neue Modell wiegt weniger als 15 Kilo und wurde für Menschen entwickelt, die aufgrund einer Rückenmarksverletzung oder einer anderen neurologischen Diagnose gehbehindert sind. Eine spezielle Software ermöglicht die Geh-Therapie, und wer intensiv trainiert, kann wieder schneller und besser marschieren. Ottobock hat mit C-Brace eine Beinorthese entwickelt, die es Menschen möglich macht, Treppen hinunterzulaufen oder das Bein unter einer Last zu beugen – auch wenn die entsprechenden Muskeln ganz oder teilweise gelähmt sind, etwa als Folge einer Kinderlähmung. Die Orthese kann unter der Kleidung „versteckt“ und via App übers Smartphone bedient werden.

Gegen das Zittern am Rechner

Wenn die Hände nicht mehr ruhig bleiben, wird es schwierig, eine Computermaus oder den Touchscreen des Smartphones zu bedienen. Speziell für Menschen mit Tremor, etwa infolge einer Parkinson-Erkrankung, wurde das Hilfsmittel AMAneo von CSS Microsystems entwickelt: Es ist ein unterstützender Maus-Adapter, der über eine USB-Schnittstelle angeschlossen wird – man steckt das etwa zigarettenschachtelgroße Gerät zwischen Maus und PC oder Notebook und verbindet es über Bluetooth mit dem Tablet. Dank eines intelligenten Algorithmus errechnet es aus den unruhigen Zitterbewegungen die gewünschte Aktion, sodass die Betroffenen wieder richtig tippen können.

Wie Blinde einen PIN eingeben

Klaus-Peter Wegge, Leiter des Siemens Accessibility Competence Center (ACC) an der Universität Paderborn, ist von Kindheit an blind und hat sich mit seinem Team mit der Frage beschäftigt, wie ein Blinder seine Geheimzahl in ein Bankterminal mit einem Touchscreen eingeben kann. „Aus Sicherheitsgründen war eine Sprachausgabe der Geheimzahl ja keine Option“, erläutert er. „Wir arbeiten mit der bekannten Telefontastatur und denken uns auf der 5 eine Münze. Der Sehbehinderte schiebt mit einem Wisch die imaginäre Münze entweder nach oben oder unten, rechts oder links oder diagonal und kommt nach einer Bestätigung mit Doppelklick auf die Mittelposition zurück. Außer der Ziffer 0 erreicht er so mit einem Wisch jede Ziffer.“ Der Praxistest mit 600 Anwendern hat beste Resultate ergeben, sodass das Bezahlsystem schon in Aus­tralien eingesetzt wird – in Deutschland ist es auf der Rehacare zu sehen. Mehr Informationen gibt es unter www.barrierefrei.bayern.de, Unterpunkte Magazin/Siemens: Technologien der Zukunft.

Bereits als Hilfsmittel anerkannt

Damit Menschen mit Behinderungen die Kosten für neue Hilfsmittel erstattet bekommen können, müssen die Produkte in das Hilfsmittelverzeichnis der gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen werden. Das ist jetzt bei dem ersten Exoskelett geschehen: ReWalk Personal 6.0 ermöglicht es gelähmten Menschen, selbstständig zu stehen und zu laufen. Auch die Hightech-Kamera OrCam MyEye, mit der Sehbehinderte wieder eigenständig lesen sowie Produkte, Gesichter, Geldscheine und Farben erkennen können, ist offiziell als Hilfsmittel anerkannt. Die OrCam ist eine intelligente Minikamera mit inte­griertem Lautsprecher, die sich an der Brille befestigen lässt. Eine finanzielle Übernahme durch die gesetzliche Krankenkasse wird durch die Aufnahme ins Hilfsmittelverzeichnis erleichtert, man muss dafür einen Antrag bei seiner Kasse stellen.