Mal wieder verspätet in Göttingen? Ofen kaputt im Speisewagen? Wie gut, dass es den Mann am Mikro gibt

    Englischkurse, Benimmdrill, Tätowier- und Kleiderordnung gelockert: Die Deutsche Bahn hat alles getan, um Arbeit und Image ihrer Zugbegleiter aufzuwerten. Einige, vor allem im neuen Renommierzug ICE 4 zwischen Hamburg und München, nehmen ihren Job noch ernster, als es die Lage erfordert.

    Zum Beispiel Schaffner Sch. Man kennt seinen Namen, weil sie sich jetzt alle am Bordmikro vorstellen müssen. Wie bei einer als Kaffeefahrt getarnten Wolldeckenverkaufstour – oder bei einer Kreuzfahrt. Er redet gerne, der Sch. So gerne, dass man geneigt ist, Sch.-Sch.-Sch.-sch-nell hintereinander zu sagen, was man im Ruhebereich des ICE als „Psssst!“ interpretiert und im Rest des Zuges als Einschlafhilfe mit Anklang an Zuggeräusche der Dampflok-Ära. Sch. Sch. Sch.

    So wie Sch. säuselt keiner, dass der nächste mal wieder verspätet erreichte Bahnhof Göttingen sein wird. So wie er redet keiner den ausgebrannten Ofen im Speisewagen klein: „Aufgrund von technischen Problemen erhalten Sie heute im Speisewagen ein ausgewähltes Angebot.“ Das klingt deutlich besser als das gewohnte „Aufgrund von Verzögerungen im Betriebsablauf kommt es zu Verzögerungen im Betriebsablauf“. Ja, die Tautologie ist eine Meisterin aus Deutschen Bahnen.

    Offenbar verdient sich Sch. seine Kasper-Zulage redlich. „Nein, Ihre Bahncard brauche ich nicht, Sie begleiten ja die Dame“, sagt er zu einem Passagier bei der Fahrscheininaugenscheinnahme. Ältere Damen begleiten, das kennt man ja vom Kreuzfahrtschiff. Sch. bahnt sich den Weg durch den Großraumwagen, das sonnige Gemütsdeck. Hinten sitzt eine Gruppe Blinder mit Hunden und Begleitern. Sie scherzen die ganze Zeit. Einer fragt Schaffner Sch., ob wegen der Verspätung der Anschluss noch erreicht wird. Sch. sagt: „Mal sehen.“ Alle lachen.