Die Palliativärztin Hannah Haberland berichtet über ihre Arbeit mit Sterbenden

    Wenn ein schwerstkranker Mensch zu Hause im Sterben liegt und dort möglichst auch bis zum Ende bleiben möchte, kommen Menschen wie Hannah Haberland ins Spiel. Sie ist Palliativärztin und unterstützt Patienten sowie deren Angehörige. „Letzte Begegnungen“ heißt ihr Buch, in dem sie über ihre Arbeit berichtet. Pflegekräfte helfen ihr bei der Betreuung der Patienten, doch nicht immer steht die medizinische Versorgung im Vordergrund. Es geht neben täglicher Medikamentengabe um Patientenverfügungen und Vorsorgevollmacht, um hilflose, uneinsichtige oder uninformierte Angehörige, Familienstreitigkeiten und kulturelle Besonderheiten. Die Ärztin behandelt die Patienten, damit sie es leichter haben während ihres mehr oder weniger langen Übergangs vom Leben in den Tod.

    Manchmal kann das Palliativteam nicht sofort einschätzen, wie die Familie mit dem Sterbeprozess umgeht, und einige Angehörige handeln auch gegen den ärztlichen Rat. So wurde einer der betreuten Patienten, ein türkischstämmiges Familienoberhaupt, das eigentlich nicht mehr reisefähig war, unter abenteuerlichen Umständen im Auto in die Heimat gebracht. Die Familie hatte lange nicht wahrhaben wollen, wie schlecht es dem alten Mann ging. Weil die Überführung eines Toten in die Türkei sehr teuer ist und er deshalb zu Hause sterben sollte, musste der Patient die Strapazen der Reise auf sich nehmen. Um solchen Umständen vorzubeugen, erkundigt sich Hannah Haberland seit diesem Fall genau, welche Wünsche bezüglich des Lebensendes bestehen.

    Manche Patienten möchten nur alternativmedizinisch begleitet werden, die Palliativversorgung jedoch orientiert sich an der Schulmedizin. Das kann durchaus zu frustrierenden Diskussionen führen, aber letztlich entscheidet der Kranke, „wie viel Schmerzen, Übelkeit und innere Unruhe er auszuhalten bereit ist“, schreibt Hannah Haberland. Denn die Aufgabe des Teams ist „Symptomkontrolle“, also die Auswirkungen der Krankheit zu behandeln. Der Umgang mit den Schwerstkranken und Sterbenden ist eine Gratwanderung, die viel mit Respekt zu tun hat. Dazu gehören Gespräche mit den Angehörigen, die loslassen müssen, damit ihre Liebsten in Ruhe sterben können.

    Es werden nicht nur die Patienten therapiert, Familienangehörige sollen sich ebenfalls nicht alleingelassen fühlen mit ihrer Angst, ihrer Trauer und ihren Problemen. Auch makabere Erlebnisse zählen zur bunten Palette an Erfahrungen der Ärztin – so öffneten Angehörige kurz nach dem Tod eines Patienten erst einmal eine Flasche Sekt.

    Hannah Haberland schildert ihre „Letzten Begegnungen“ mit Sachverstand, Humor und Herzenswärme und gibt Einblicke in ein für die meisten Menschen unbekanntes Thema, das jedoch irgendwann für jeden einmal wichtig werden könnte.

    Hannah Haberland: „Letzte Begegnungen“, Eden Books, 224 Seiten, 14,95 Euro