Berlin. Der Streit um den obersten Verfassungsschützer spitzt sich zu. Seehofer bekundet erneut „Vertrauen“ in ihn

    Die SPD wagt die Machtprobe: Die Parteispitze hat gestern von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Entlassung von Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen gefordert. Sie wirft Maaßen vor, die rechtsradikalen Ausschreitungen in Chemnitz verharmlost zu haben. „Für die SPD-Parteiführung ist völlig klar, dass Maaßen gehen muss. Merkel muss jetzt handeln“, sagte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil in Berlin.

    Damit gibt es nach dem Streit um die Zurückweisung von Flüchtlingen an der Grenze die nächste Zerreißprobe für die erst ein halbes Jahr amtierende Große Koalition. Am Nachmittag trafen sich Merkel und Innenminister Horst Seehofer (CSU) im Kanzleramt mit SPD-Chefin Andrea Nahles zu einer Krisenrunde. Am Abend wurde das Gespräch auf den kommenden Dienstag vertagt. Es sei ein „gutes, ernsthaftes Gespräch“ mit dem Ziel gewesen, als Koalition weiterzuarbeiten, erfuhr die Nachrichtenagentur dpa.

    Seehofer hatte kurz zuvor bekräftigt, Maaßen habe weiterhin sein Vertrauen. Die SPD dagegen hält ihn nicht mehr für tragbar. Vizekanzler Olaf Scholz sagte, wer Verantwortung für die großen Sicherheitsorgane des Landes habe, müsse „über jeden Zweifel erhaben sein“. Juso-Chef Kevin Kühnert forderte: „Wir sind an einem Punkt, an dem wir eine rote Linie ziehen sollten.“

    Maaßen hatte der „Bild“ gesagt, seiner Behörde lägen keine belastbaren Informationen auf Hetzjagden bei den Ausschreitungen in Chemnitz vor. Auch gebe es keine Belege dafür, dass das im Internet kursierende Video authentisch sei. Dies wurde auch als Angriff auf Kanzlerin Merkel empfunden, die ebenso wie ihr Sprecher von Hetzjagden gesprochen hatte. Am Mittwoch sagte Maaßen vor dem Innenausschuss des Bundestags, er fühle sich falsch verstanden. Gestern ließ er neue Vorwürfe zurückweisen, er habe unrechtmäßig Informationen oder Unterlagen an einen AfD-Bundestagsabgeordneten weitergegeben.

    In Berlin hieß es, von verschiedenen Seiten werde versucht, Maaßen zum Rücktritt zu bewegen. Nur so könne es gelingen, die Krise ohne einen gravierenden Gesichtsverlust entweder für die SPD oder die Unions-Parteien zu beenden.

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