Der Dokumentarfilm „Eingeimpft“ erzählt von Befürwortern und Gegnern

    Viele Dinge muss man erst selbst erleben, um ihre Bedeutung erfassen zu können. Diese etwas banale Devise hat der Dokumentarfilmer David Sieveking zum Leitmotiv seiner Karriere gemacht: In „David Wants To Fly“ heftete er sich der Transzendentalen Meditation und deren prominenten Apologeten David Lynch an die Fersen. In „Vergiss mein nicht“ filmte er dann seine eigene Mutter und wie sie der Alzheimer-Erkrankung anheimfiel. Die private Herangehensweise, bei der sich Sieveking gewissermaßen als teilnehmender Beobachter in seiner eigenen Dokumentation mitdokumentiert, zeitigte in beiden Filmen höchst unterschiedliche Ergebnisse. Was in „David Wants To Fly“ zum Teil als überheblich und selbstbespiegelnd daherkam, wirkte in „Vergiss mein nicht“ ergreifend und ehrlich.

    Man versteht, dass sich Sieveking nach dem Erfolg von letzterem auch bei seinem neuen Film ermutigt fühlte, wieder ganz aus der privaten Perspektive zu beginnen: Als seine Freundin schwanger wurde, stellte sich die Frage nach den notwendigen und überflüssigen Impfungen. Die werdende Mutter, erfährt man im Film, ist eine Impfgegnerin, seit sie einmal eine massive Unverträglichkeitsreaktion erlitten hat. Das will sie ihrem Kind ersparen und malt von Impfstoffen ein übles Bild von kalt kalkulierenden Pharmafirmen, die die wahren, schädlichen und sogar lebensgefährlichen Nebenwirkungen ih­res Tuns stets vertuschen.

    Sieveking nimmt im Film die Haltung eines skeptischen Befürworters ein: Für ihn gehören die für seine Generation gängigen Impfungen zum Alltag, aber er möchte erkunden, was dran ist an den Gründen der Gegner. Was bringt liebende, akademisch gebildete Eltern dazu, ihre Kinder den Gefahren von Infektionen auszusetzen, vor denen man sie durch eine kleine Spritze bewahren könnte?

    Man muss Sieveking unbedingt lassen, dass er das eigentlich dröge Thema erstens ungeheuer unterhaltsam und zweitens auch noch gut verständlich aufzudröseln weiß.

    In einer Szene streiten sich auf einem Spielplatz Eltern über die Masern-Impfung wie Verfeindete in einem Bürgerkrieg. Immer mehr meint man als Zuschauer zu begreifen, dass es oft gerade die Beschränkung auf die private Perspektive ist, die so empfänglich macht für Irrationalität.

    „Eingeimpft. Familie mit Nebenwirkungen“
    D 2018, 95 Min., o. A., R: David Sieveking, im Abaton, Zeise; www.eingeimpft-film.de