Berlin.

Wird Daniel Küblböck in den Weiten des Atlantiks jemals gefunden? Die Hoffnung tendiert seit Montag gegen null – die kanadische Küstenwache hat die Suche eingestellt. Vier Schiffe und zwei Flugzeuge hatten 80 Flugstunden lang eine Fläche von 1227 Quadrat-Seemeilen inspiziert, also etwa 320 Fußballfelder. Vergeblich. Ein Sprecher der Küstenwache geht davon aus, dass Küblböck in dem 10,5 Grad kalten Wasser gestorben ist. Deshalb habe man die schwere Entscheidung getroffen, die Suche nicht fortzusetzen. Zuvor hatte schon die „Aidaluna“ den Versuch abgebrochen, den Musiker zu finden, der am frühen Sonntagmorgen (Ortszeit) 185 Kilometer vor der Küste Neufundlands angeblich von Bord gesprungen war. So stellt es die Reederei dar – man sei „in engem Austausch mit den Angehörigen, um ihnen in allen Fragen zur Seite zu stehen“, berichtet das Unternehmen auf Anfrage.

„Wir denken mit all unserer Kraft und Liebe an Daniel und hoffen auf ein großes Wunder“, erklärt Küblböcks Familie in einer Mitteilung. Er hatte als Urlauber an der 17-tägigen Kreuzfahrt von Hamburg nach New York teilgenommen. Auf der mit 2800 Menschen besetzten „Aidaluna“ fiel er den anderen Passagieren auf. Laut „Bild“ habe er sich an Bord aggressiv verhalten. In den sozialen Netzwerken kursieren mehrere Bilder, die ihn anscheinend in seiner Schiffskabine zeigen – geschminkt und in Frauenkleidern. Schon vor der Reise posierte er zuletzt häufig mit Ohrringen, langen Haaren und in Stöckelschuhen, er benutzte den Begriff transsexuell.

Derweil zeichnet sich ab, dass der im Fernsehen häufig aufgedreht wirkende Musiker mit mentalen Problemen zu kämpfen hatte. In einem angeblich von Küblböck auf Facebook veröffentlichten und mittlerweile gelöschten Brief an einen Fanclub erhebt er Mobbingvorwürfe gegen die Berliner ETI Schauspielschule, die Küblböck zuletzt besuchte. „Ich musste Wochen mit hohen Hacken über Steine laufen, dann wurde meine Bühnengarderobe zerschnitten und mir wurde Sabotage unterstellt, da jemand Wasser über die Technik geschüttet hat.“ Am schlimmsten sei, „dass unsere Dozentin nicht eingegriffen hat“. Die Schauspielschule weist die Vorwürfe zurück: „Wir sind zutiefst bestürzt und geschockt über das Verschwinden unseres Schülers“, heißt es in einer Erklärung.

Als Kind litt er unter seiner Mutter

Küblböcks ehemaliger Mentor, Musikproduzent Dieter Bohlen (64), erinnert sich an einen jungen Mann mit zwei Gesichtern. „Er war auf der einen Seite ein lustiges Kerlchen, was man so im Fernsehen gesehen hat. Aber wenn er bei mir zu Hause war, gab es auch das totale, krasse Gegenteil“, so Bohlen in einem Insta­gram-Video. „Er konnte unheimlich traurig und depressiv sein. Ich habe mich damals echt gewundert, wie schnell das bei ihm hin und her ging.“ Bohlen war vor 16 Jahren Chefjuror in der ersten Staffel der RTL-Show „Deutschland sucht den Superstar“, durch die Küblböck bekannt wurde. Bohlen produzierte später Küblböcks Nummer-eins-Hit „You Drive Me Crazy“.

Zu der Zeit, als Küblböck mit ­Bohlens Hilfe für kurze Zeit ein erfolgreicher Popmusiker war, verfasste er auch seine Autobiografie „Ich lebe meine Töne“. Darin berichtete der damals 18-Jährige von einer schwierigen Kindheit in Niederbayern. Der aus ­Eggen­felden stammende Küblböck, der zuletzt 2015 als Teilnehmer der RTL-Show „Let’s Dance“ vor einem größeren Publikum aufgetreten war, machte dafür seine Mutter verantwortlich. Er schilderte sie als attraktive Dorfschönheit, deren häufige Männerbesuche ihm den Schlaf geraubt hätten und die ihn immer wieder im Rausch verprügelt habe. Sie habe ihn dafür bestrafen wollen, dass er nicht die Tochter war, die sie sich so sehnlich gewünscht habe. Als Erwachsener lebte Küblböck offen homosexuell.

Sollte seine Leiche nicht gefunden werden, würde er gemäß dem deutschen Verschollenheitsgesetz wohl nach sechs Monaten für tot erklärt werden. Der Reederei-Sprecher sagt: „In dieser schwierigen Zeit sind wir mit unseren Gedanken bei der Familie des Vermissten.“

Die Telefonseelsorge bietet Menschen mit Selbstmordgedanken Hilfe an: Telefonisch unter 0800/111-0-111 oder im Internet auf www.telefonseelsorge.de