Landau.

Vor dem Landgericht Landau sichern Polizisten in schusssicheren Westen die hölzerne Eingangstür, dahinter stehen knapp zehn blaue Mannschaftswagen. Der Gehweg vor dem sandsteinfarbenen, mehr als 100 Jahre alten Bau ist durch Gitter versperrt. Sicherheitsvorkehrungen für Abdul D., dessen Mord an seiner Ex-Freundin die Stimmung in der Pfalz aufgeheizt hat.

Um den Angeklagten zu schützen, wird das Urteil unter Ausschluss der Öffentlichkeit verlesen. Schließlich tritt Robert Schelp, der Vizepräsident des Landgerichts, in Sitzungssaal 309 vor die Presse und verkündet die Entscheidung: Achteinhalb Jahre muss der mutmaßlich aus Afghanistan stammende Asylbewerber in Haft. Verurteilt nach Jugendstrafrecht wegen Mordes an der 15-jährigen Mia, die er im Dezember 2017 mitten in einem Drogeriemarkt im nahen Kandel getötet hat.

Mit einem 20 Zentimeter langen Brotmesser hatte Abdul D. siebenmal auf das Mädchen eingestochen. Sein Motiv: Eifersucht und Rache, glaubt die Staatsanwaltschaft. Denn Mia hatte sich kurz zuvor von ihm getrennt.

Ungeachtet der Brisanz des Verbrechens lässt Schelp keine Nachfragen zu. Welche strafmildernden Faktoren das Gericht dazu bewegten, von der vom Staatsanwalt geforderten Höchststrafe von zehn Jahren abzusehen, bleibt unbekannt. Ebenso die Frage, wie Abdul D. reagierte und wie die Eltern des Mädchens das Urteil aufnahmen. „Die Nichtöffentlichkeit gilt auch für die Urteilsbegründung“, erklärt der Jurist lapidar. Dass der Fall hinter verschlossenen Türen aufgearbeitet wurde, stößt in der Südpfalz bei vielen auf Empörung. „Er hätte auf jeden Fall nach Erwachsenenstrafrecht verurteilt werden müssen“, findet etwa Ruth Winkelkötter (68), die vor dem Gerichtsgebäude steht. Ein anderer Passant, der 53-jährige Martin Müller, schimpft: „Achteinhalb Jahre für einen Mord sind eine Schande.“ Die Verteidigung hatte auf sieben Jahre und sechs Monate wegen Totschlags plädiert. Abdul D. akzeptierte das Urteil. Sein Anwalt geht davon aus, dass er nach Verbüßung eines Teils der Strafe nach Afghanistan abgeschoben wird.

Das Verfahren trägt nicht dazu bei, die Stimmung in Kandel zu befrieden – das wird in Gesprächen mit Bekannten von Mias Eltern deutlich.

Der befürchtete Aufmarsch von Wutbürgern bleibt am Montag jedoch aus. Populistische Gruppen hatten den Fall zum Anlass genommen, um in Kandel immer wieder gegen die Asylpolitik der Bundesregierung zu protestieren. Erst am Wochenende hatten Demonstranten in dem 9000-Einwohner-Ort Stimmung gegen „kriminelle Migranten“ gemacht und auch „Grüße an die Patrioten aus Chemnitz “ geschickt. Kandels Bürgermeister Volker Poß (SPD) befürchtet, dass sein Ort auch nach dem Urteil ein Synonym für die Debatte um Flüchtlingskriminalität sein wird. Die rechte Szene habe angekündigt, „nach wie vor kommen zu wollen“, und plane bereits bis ins nächste Jahr hinein Demos.

Abdul D. war im April 2016 als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling nach Deutschland eingereist. Sein Alter hatte er mit 15 Jahren angegeben. Als Mia sich von ihm trennte, soll er sie verfolgt und bedroht haben, die Eltern hatten Anzeige erstattet. Nach der Tat kamen dann Zweifel auf, ob er tatsächlich minderjährig ist. Laut einem Gutachten im Auftrag der Staatsanwaltschaft war er zum Zeitpunkt der Tat mindestens 17 Jahre und sechs Monate, wahrscheinlich aber schon 20 Jahre alt.

Trotzdem wurde er nach dem Grundsatz, im Zweifel für den Angeklagten zu entscheiden, nach Jugendstrafrecht verurteilt. Derweil ermittelt die Staatsanwaltschaft weiter gegen ihn, weil er Mitte August während des Prozesses zwei Sicherheitskräfte an der Hand verletzt haben soll. Die Staatsanwaltschaft prüft jetzt, ob sie in Revision geht, so hieß es am Montag von Seiten der Anklagebehörde.