Blankenese. Die 9. Blankeneser Literaturtage: ein Mix aus Lesungen, Kammermusik, Gesprächsrunden und Führungen

    Was verbindet eine junge Bühnenpoetin, den Direktor eines Gymnasiums in den Elbvororten, einen schreibenden Segelweltmeister sowie zwei Literaturreisende? Sie sind allesamt Ehrengäste der Blankeneser Literaturtage jetzt am Wochenende im Goßlerhaus im gleichnamigen Park. Dieses Ereignis, vielleicht eines der kleinsten, feinsten und fantasievollsten seiner Art in Norddeutschland, wird zum neunten Mal veranstaltet. Für manchen handelt es sich um einen Geheimtipp. Präsentiert wird eine Me­lange aus Lesungen, Kammermusik, Gesprächsrunden und Führungen. Der Eintritt, auch das überrascht, ist frei.

    Das Motto zieht sich wie ein roter Faden durch zwei Nachmittage, schlicht, indes markant: „Norden“. Es ist eine Steilvorlage für die 26 Jahre alte Autorin und Poetin Mona Harry. Die Überschrift ihrer Darbietung ist Programm – und Titel eines ihrer Bücher: „Norden und andere Richtungen.“ Als erfolgreiche Poetry-Slammerin reist die Kunst- und Philosophiestudentin aus Kiel, die zuvor in Hamburg-Winterhude lebte, durch deutsche Lande. Dabei geht sie einer Kardinalfrage ihres Lebens auf den Grund: „Warum zieht es mich immer wieder zurück in den kalten, grauen, nassen Norden?“ Die ebenso charmant wie augenzwinkernd vorgetragene Ursachenforschung eines plietschen Nordlichts („Liebesgedicht an den Norden“) wurde auf der Filmplattform YouTube im Internet mehr als 900.000-mal angesehen. Doch bevor wir uns mit dieser kreativen Frau zum Kaffee an einen Tisch setzen, seien die weiteren Teilnehmer der 9. Blankeneser Literaturtage vorgestellt. Es handelt sich um eine illustre, vielseitige Riege. Wie Joachim Hagner bei seinem literarischen Debüt beweist. Der Deutsch- und Philosophielehrer wechselte aus Berlin in die Elbvororte und übernahm Anfang Februar dieses Jahres die Leitung des Gymnasiums Blankenese. Nicht nur Kollegium und Schüler sind gespannt, was der Pädagoge auf der Bühne so zu bieten hat.

    Das Hamburger Autorenduo Vera Rosenbusch und Lutz Flörke dagegen bewies schon oft Unterhaltungskunst auf hohem Niveau. Beide erhielten den Hamburger Förderpreis für Literatur und stehen für dramaturgisch gestaltete Lesungen. Vierter im Bunde des am Sonnabend und Sonntag jeweils um 14 Uhr beginnenden Festivals ist der Segler, Drehbuchautor und Schriftsteller Jan von der Bank aus Eutin.

    An beiden Tagen stehen eine Stunde zuvor Führungen durch das geschichtsträchtige Goßlerhaus auf dem Programm. Ausklang am Sonntag ab 17 Uhr ist ein Hauskonzert des Hamburger Konservatoriums in Zusammenarbeit mit dem Verein Kammermusik. Zu hören sind Neuvertonungen von Theodor Storms Texten, passend zum Thema „Norden“.

    „Zusammenspiel und Harmonie zwischen Literatur und Musik sind ein Reiz dieses Wochenendes“, sagt Jan Kurz. Der Vorsitzende des Förderkreises Historisches Blankenese, ein promovierter Historiker mit Wurzeln in Bremen, erwartet erneut eine „volle Hütte“. Seite an Seite mit dem Konservatorium und der Bücherhalle Elbvororte organisiert der Förderkreis diese Literaturtage. Bis 2016 wurden sie im Fischerhaus an der Elbterrasse veranstaltet. Neben den vier Lesungen soll es Gespräche mit den Künstlern geben. Damit sich das Publikum ein Bild von den Hauptpersonen machen kann. So wird beispielsweise Jan von der Bank vom Blankeneser Verleger Klaas Jarchow vorgestellt und befragt. Der belesene Hanseat mit Wohnsitz am Elbhang sitzt am Sonntag gleichfalls vis-à-vis der Bühnenpoetin Mona Harry.

    Die junge Frau des vierten Master-Semesters, aufgewachsen in Hamburg und Ahrensburg, hat eine Menge zu sagen – nicht nur am Mikrofon. Zum Termin mit dem Hamburger Abendblatt in einem Pariser Café in Rathausnähe erscheint die 26-Jährige gut gelaunt und schwer bepackt. Auf dem Weg vom aktuellen Studienort Kiel zu einer Lesung in Düsseldorf hat sie am Hauptbahnhof kurz Station gemacht, um später mit dem Intercity weiter Richtung Westen zu fahren. Im Rucksack schleppt sie Bücher mit, zum Verkauf bei der Abendveranstaltung im Rheinland. „Norden und andere Richtungen“ ist das eine, „Mutproben“ das andere.

    2014 stand sie im Halbfinale, ein Jahr später im Finale

    Passt prima. Frau Harry gilt als eine der talentiertesten und erfolgreichsten Slam-Poetinnen Deutschlands. Bei diesen literarischen Vortragswettbewerben tragen die Künstler dem Publikum innerhalb meist kurzer, festgelegter Zeit selbst geschriebene Texte vor – im Falle Mona Harry in der Regel frei präsentiert. 2014 stand sie im Halbfinale der deutschsprachigen Meisterschaften, im Jahr darauf im Finale. „Meine Texte sind geschrieben, um gehört zu werden“, sagt sie. Ihre öffentliche Premiere hatte sie 2012 als 20-Jährige im Lokal Molotow auf St. Pauli. Mittlerweile tritt sie etwa 100-mal im Jahr auf, in praktisch allen Bundesländern. Und darüber hinaus. In Hamburg war sie auf den Bühnen des Schauspielhauses und der Laeiszhalle zu sehen und zu hören.

    Mona Harrys Themen sind para­doxe Facetten des Stadtlebens, Nachbarschaftsstudien oder Possen aus der Welt des Lifestyle. Mal ergeben sich ernste, mal heitere Beobachtungen aus dem Leben. Unser Alltag, das wird auch im Goßlerhaus bewiesen, hat durchaus komische, bisweilen Seiten. Bisweilen sind sie absurd.

    9. Blankeneser Literaturtage: 8. + 9. September jeweils ab 14 Uhr im Goßlerhaus, Goßlers Park 1, 22087 Hamburg. Eintritt frei