Brüssel.

In acht Wochen beginnt schon wieder die Winterzeit, die Uhren werden am 28. Oktober um eine Stunde zurückgestellt. Ist bald Schluss mit diesem halbjährlichen Drehen an der Uhr? Die EU-Kommission hat überraschend einen Vorstoß zum Ende der Zeitumstellung angekündigt – wie es dann weitergeht, ist noch unklar.

Warum jetzt der Vorschlag?

Die Kommission begründet ihren Plan allein mit einer EU-weiten Umfrage im Internet. Dabei hatten 86 Prozent der Teilnehmer für die Abschaffung der Zeitumstellung gestimmt. Allerdings nahmen von den rund 500 Millionen EU-Bürgern nur 4,6 Millionen teil, davon zwei Drittel aus Deutschland. Noch Anfang der Woche hatte die Kommission erklärt, die Befragung sei weder repräsentativ noch bindend. Dennoch sagte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker unter Verweis auf die Umfrage am Freitag: „Die Menschen wollen das, wir machen das.“ Wie der Vorschlag im Einzelnen aussieht, ist aber noch nicht klar.

Was spricht gegen die Zeitumstellung?

Die Kritiker stützen sich auf zahlreiche Studien, nach denen das ursprüngliche Ziel der Energieeinsparung durch den Wechsel von Sommer- und Winterzeit verfehlt wird. Das hat zuletzt auch das Umweltbundesamt bestätigt. Ein Teil der Mediziner warnt zudem vor Risiken für die Gesundheit. Die wegweisende Untersuchung einer Expertengruppe des Bundestags sieht Hinweise auf längere Anpassungs- und Befindlichkeitsstörungen vor allem im Frühjahr, aber bislang keine Nachweise von ernsthaften negativen Folgen für die Gesundheit. Die EU-Kommission hatte erst vor wenigen Monaten Warnungen vor Gesundheitsrisiken als nicht belegt abgewiesen – und damals eine Gesetzesänderung abgelehnt. In der Umfrage erklärte nun die Mehrheit der Teilnehmer, sie hätten „negative“ oder „sehr negative“ Erfahrungen mit dem Zeitwechsel gemacht; verwiesen wurde etwa auf gesundheitliche Beeinträchtigungen oder mehr Verkehrsunfälle.

Fällt die Zeitumstellung im Oktober aus?

Nein, so weit ist es noch lange nicht. Nach Junckers Plänen könnte die Zeitumstellung 2020 oder 2021 beendet werden. Erst muss die Kommission in den nächsten Wochen einen Gesetzesvorschlag machen, den EU-Parlament und die Mitgliedstaaten beschließen müssten – nach dem Kommissionsplan nächstes Jahr. Im Parlament ist eine Mehrheit wahrscheinlich, unter den EU-Ländern ungewiss.

Was wird künftig gelten?

Wird die Zeitumstellung tatsächlich abgeschafft, müssen die einzelnen Länder für sich entscheiden, ob sie dauerhaft die Winter- oder die Sommerzeit einführen wollen. Denn für ihre Standardzeit sind die Länder von jeher verantwortlich – die EU hat per Gesetz bisher nur dafür gesorgt, dass die halbjährliche Zeitumstellung harmonisiert wird. In der Umfrage hatte sich eine Mehrheit für eine ganzjährige Sommerzeit ausgesprochen, dafür plädiert nun auch Juncker. Auch nördliche EU-Staaten wie Finnland und Litauen, die vom längeren Tageslicht im Sommer profitieren, drängen auf die Dauer-Sommerzeit.

Was sagt die Bundesregierung?

Kanzlerin Angela Merkel hat den Vorstoß begrüßt. Sie freue sich, wenn die EU-Kommission das Votum der Umfrage ernst nehme. „Wenn man so eine Umfrage schon macht, dann sollte daraus auch etwas folgen“, sagte Merkel. Sie messe dem eine „hohe Priorität“ bei. Doch vor weiteren Schritten will die Bundesregierung erst den offiziellen Kommissionsplan abwarten. Die deutsche Wirtschaft reagierte positiv. Die Arbeitgeberverbände erklärten, die Zeitumstellung habe bisher zu Störungen etwa bei der Arbeitszeit oder der Logistik geführt. Der Industrie- und Handelskammertag warnte aber vor einer übereilten Umsetzung und forderte eine europaweite Lösung.

Wann wurde die Zeitumstellung eingeführt?

In Deutschland gilt sie seit 1980. Vorrangiges Ziel war die Energieeinsparung, die sich aber nicht erreichen ließ, und die Anpassung an entsprechende Regelungen der Nachbarländer. Eine einheitliche EU-Regelung zum Beginn und Ende der Sommerzeit gibt es seit 1996.