Berlin.

Mitte August liegt ein Bartkauz leblos in seiner Voliere im Zoo Halle (Saale). Seit dieser Woche kennt man auch die Todesursache: Das Tier war mit dem West-Nil-Virus (WNV) infiziert, ein Erreger, der in seltenen Fällen auch für Menschen gefährlich sein kann. Es ist in Deutschland der erste Nachweis des Virus bei einem Vogel – dem Hauptwirt des Erregers.

Trotzdem sehen Experten hierzulande keinen Grund zur Sorge. Gleichzeitig steigt vor allem in Süd- und Südosteuropa die Zahl der menschlichen Todesopfer. In Italien sind es nach dem letzten Stand zehn, in Griechenland 16, in Serbien 21. Das Auswärtige Amt weist Reisende auf ein Risiko hin. Wie gefährlich ist das West-Nil-Virus wirklich? Antworten auf die wichtigsten Fragen:

Was weiß man über den Erreger?

Das West-Nil-Virus gehört zu den sogenannten Arboviren (Arthropod-borne virus), die durch Gliederfüßer wie Moskitos oder Zecken übertragen werden. Als Wirt dienen hauptsächlich Vögel, seltener Pferde – und auch Menschen.

Zum ersten Mal wurde WNV 1937 in Uganda bei einer erkrankten Frau nachgewiesen, 1999 gab es den ersten Fall in den USA. Eine Impfung oder Therapie gibt es derzeit nicht.

Wie wird das Virus übertragen?

Der typische Viruskreislauf verläuft zwischen blutsaugenden Mücken und Vögeln. Das Insekt infiziert den Vogel, die nächste Mücke, die den Vogel sticht, nimmt das Virus auf und verbreitet ihn weiter.

Selten können Mücken das West-Nil-Virus auch auf Mensch, Pferd oder andere Säugetiere übertragen. „Dabei sind Mensch und Pferd eine Sackgasse, ein Fehlwirt“, sagt Elke Reinking vom Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) auf der Insel Riems. „Sie dienen also nicht dazu, das Virus weiterzuverbreiten.“

Grundsätzlich müssten mehrere Bedingungen zusammenkommen, damit sich der Erreger verbreiten kann, betont Marieke Degen vom Robert Koch-Institut (RKI). So ist zum Beispiel nicht jeder Vogel gleich empfänglich für das Virus. Als leicht zu infizieren gelten Raben, Krähen, Häher und einige Greifvogel- und Eulenarten, wie der Bartkauz aus dem Zoo Halle.

Auch die Temperatur spielt eine Rolle bei der Übertragbarkeit. „Das Virus hat eine optimale ‘Betriebstemperatur’“, sagt Reinking. Lang anhaltende trockene Sommer etwa seien ein gutes Umfeld.

Wie verläuft eine Infektion
beim Menschen?

Die meisten Menschen merken nichts von einer Infektion: 80 Prozent der WNV-Infizierten haben laut dem RKI keine Symptome. 20 Prozent entwickeln nach zwei bis 14 Tagen das West-Nil-Fieber, das nach einigen Tagen wieder abklingt und dessen Symptome an eine Grippe erinnern. Die Betroffenen bekommen Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen, sind abgeschlagen, die Lymphknoten schwellen an, manche bekommen einen Hautausschlag.

Weniger als ein Prozent der Verläufe sind jedoch sehr schwerwiegend, ein Teil davon endet tödlich. Mit dem Alter und bei Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen, die das Immunsystem beeinträchtigen, steigt das Risiko für einen schweren Verlauf.

Da das Virus die sogenannte Blut-Hirn-Schranke überwinden und ins Gehirn gelangen kann, kann es dort eine Hirnhautentzündung (Meningitis), in seltenen Fällen eine Entzündung des Gehirns (Enzephalitis) auslösen. Auch Lähmungen und bleibende Behinderungen sind möglich.

Wie ist die Situation
in Deutschland?

Seit 2009 ist in Deutschland die Infektion mit dem West-Nil-Virus bei Pferd oder Vogel eine anzeigepflichtige Tierseuche – der tote Bartkauz ist nun der erste gemeldete Fall. Seit 2016 gibt es außerdem eine Meldepflicht für die sogenannten Arbo-Virusinfektionen beim Menschen. Seit Einführung dieser Meldepflicht wurde in den Jahren 2016/2017 kein einziger WNF-Fall gemeldet, im Jahr 2018 gab es bisher einen gemeldeten Fall, „der allerdings aus Serbien importiert wurde“, sagt Marieke Degen vom Robert Koch-Institut. „Bislang ist dem RKI kein Fall bekannt, in dem sich ein Patient in Deutschland mit dem Virus infiziert hat.“

Theoretisch ist das aber nach Einschätzung von Experten möglich. Das Friedrich-Loeffler-Institut geht davon aus, dass heimische Mückenarten wie etwa die Gemeine Stechmücke (Culex pipiens) das Virus nicht nur tragen, sondern auch übertragen kann. In anderen Regionen Europas sei Culex pipiens als Überträger nachgewiesen.

Trotzdem fehlt in Deutschland bislang der Nachweis des Virus in der freien Natur. So ergab etwa das Mücken-Monitoring, bei dem seit 2015 an 144 Standorten Mücken gefangen und auf Krankheitserreger untersucht werden, keinen WNV-Treffer. Auch ein seit 2010 laufendes Wildvogel-Monitoring blieb bislang ohne Befund.

Nun aber gibt es den ersten bestätigten Fall bei einem Vogel. Also doch ein Grund zur Sorge? „Es ist noch zu früh, um das qualifiziert beurteilen zu können“, sagt Elke Reinking vom FLI. „Es ist erst der erste Nachweis.“

Wie geht es nach dem Fund
in Halle weiter?

Nun geht es darum, herauszufinden, wie der Bartkauz sich mit dem West-Nil-Virus infizieren konnte. Experten wollen deswegen im Zoo Halle Fallen aufstellen, um Mücken zu sammeln und zu untersuchen. Laut RKI sollten Ärzte in der Region beachten, dass Patienten mit einer Gehirn- oder Hirnhautentzündung sowie Fieber unklarer Ursache auch auf das Virus untersucht werden.

Wie kann man sich vor einer
Infektion schützen?

Da es weder Impfung noch Therapie gibt, ist der einzige Schutz der vor Mücken. Das gilt in erster Linie für Reisen in die betroffenen Länder Griechenland, Italien und Serbien. Auch aus anderen Ländern wie Rumänien, dem Kosovo und Ungarn wurden bestätigte Fälle von West-Nil-Fieber gemeldet. Das Auswärtige Amt stellt online ein Merkblatt zum West-Nil-Virus zur Verfügung: www.auswaertiges-amt.de > Reise und Sicherheit > Reise- und Sicherheitshinweise A-Z > jeweiliges Land wählen.