Blankenese. Feinkost Ahrend an der Blankeneser Landstraße wird 70 Jahre alt. Dort kauften schon Hans Albers und Heinz Rühmann ein

    Gestern gab es Kalbsrahmgulasch mit Gemüse und Pasta; am heutigen Freitag steht Zandercurry als Tagesgericht auf der Karte. Bei Feinkost Ahrend an der Blankeneser Landstraße, das ist nicht nur in den Elbvororten bekannt, lässt es sich vortrefflich einkaufen. Mittagsmenüs außer Haus, rund 20 hausgemachte Salate, aber auch Frikadellen vom Feinsten, Suppen, Desserts und weitere Delikatessen aus eigener Herstellung haben dem Fachgeschäft einen formidablen Ruf eingebracht. Seit 70 Jahren wird Qualität großgeschrieben. Alte Kaufmannsschule ist angesagter denn je. Am 29. September feiert die hanseatische Institution runden Geburtstag: mit Jazz, Grillgut und Wein.

    Los ging das delikate Geschäft 1948, unmittelbar nach Einführung der Deutschen Mark – also noch vor der offiziellen Gründung der Bundesrepublik. Paul Ahrend hatte Gespür für die neue Zeit – und für das allmählich startende Wirtschaftswunder. Er nahm einen Kredit über 10.000 Mark auf und offerierte seiner Kundschaft im Westen Hamburgs feine Kost. Feinkost Ahrend hatte was, das sprach sich herum. Früher kamen Hans Albers, Heinz Rühmann und Peter Frankenfeld; heute sind es Otto Waalkes oder die Kowalkes. Doch muss man kein Promi sein, um bei Ahrend beim Namen genannt zu werden. Etwa 80 Prozent der im Schnitt etwa 300 Kunden pro Tag kennen Inhaber Olaf Mertens und Mitstreiter persönlich. In einer Kundenkartei sind bevorzugte Speisen oder Weinsorten notiert. Und wer nicht mehr so gut zu Fuß ist, lässt sich die Ware mit dem VW-Caddy nach Hause liefern. Ab 50 Euro Umsatz kostenfrei.

    Der gebürtige Rissener Mertens, der das Feinkosthaus gemeinsam mit Lebensgefährtin Olga Heffele und 18 Angestellten betreibt, ist eine Geschichte für sich. Genau die Hälfte der nunmehr 70 Geschäftsjahre arbeitet der Einzelhandelskaufmann mit Herzblut im Laden. Die 240 Quadratmeter Verkaufsfläche sind sein Reich. Dahinter befinden sich ein kleines Kontor und ein Lager, darüber die Verwaltung, Aufenthaltsräume und die Küche. Dort wird hergestellt, was der Klientel lieb und durchaus ein bisschen teuer ist. Gute Qualität hat ihren Preis.

    Doch zurück zu Olaf Mertens. Der 51-Jährige ist beflissene Dienstbarkeit und Servicedenken auf zwei Beinen, Buckeln oder ein untertäniger Geist sind ihm jedoch fremd. Und um einen originellen Schnack ist der Mann nie verlegen. Das kommt an. Was Fleiß heißt, lernte er im Elternhaus. Vater Heinz-Otto Mertens betrieb zwei Blumenläden in Wedel, einer davon direkt im Bahnhof. Geöffnet war an sieben Tagen in der Woche, immer von 7 bis 20 Uhr. Privatleben hatte Seltenheitswert. Und als die Mutter jung starb, kümmerte sich Großmutter Erna um die vier Kinder.

    Olaf liebte Fußball. Leidenschaftlich spielte er in Reihen des Rissener SV und des TSV Sülldorf. Und wenn er mit dem Fahrrad zum Training fuhr, kam er bisweilen bei Feinkost Ahrend vorbei. Der Buttje bewunderte den roten Teppich vor der Eingangstür, die an der Landstraße geparkten Rolls-Royce-Automobile, die einkaufenden Dienstmädchen, Schaufenster mit uralten Waagen und nostalgischen Emailletafeln. Die vor dem Laden hängenden Fasane wurden nach Protesten von Tierschützern in die Kühlablage drinnen verfrachtet. Auch das draußen grasende Rindviech war nur ein Werbegag. Nach kurzer Zeit kam es zurück auf den Bauernhof.

    Olaf Mertens kaufmännische Seele indes hatte Feuer gefangen. Mit 16 Jahren begann er seine Ausbildung im Geschäft seiner Träume. 1984 war das. Auch über die Lehre hinaus blieb er an Bord. „Dieses Feinkosthaus war und ist mein Leben“, sagt er bei einem Kaffee im Kontor. Freundin Olga ist ebenfalls präsent. Beide lernten sich im Job kennen – und später lieben. Nebenan bereiten ein Koch und eine Kaltmamsell das Mittagessen des Folgetages vor.

    Die Mitarbeiter sind teilweise seit Jahrzehnten dabei

    1988 übernahm Wolfgang Ahrend, der Sohn des Gründervaters Paul, den Betrieb. Als er 23 Jahre später in den Ruhestand trat, war die Nachfolge geklärt: Olaf Mertens, der Azubi von damals, wurde 2011 der Boss. Bezahlt wird die berufliche Selbstständigkeit mit viel Arbeit, mit sehr viel Arbeit. 42,5 Stunden in der Woche wird der Laden geöffnet. Zu den Öffnungszeiten kommen für das Inhaberpaar Termine mit Lieferanten, fast ausschließlich Höfe aus der Umgebung oder langjährige Vertraute wie Krabbenfischer Stapelfeld aus Büsum, Besorgungen frühmorgens auf dem Großmarkt, Bearbeitung von Bestellungen und Aufträgen.

    Zwei Stunden ist Mittagspause. Sonst müsste Mertens in Schichten arbeiten lassen und mehr Personal einstellen. Das rechne sich nicht, sagt der Chef. Nicht nur für ihn ist Treue ein wertvolles Gut. Herr Claussen aus der Gemüseabteilung ist seit 1974 dabei, Koch Jens-Christian Merten drei Jahrzehnte, Frau Hoffmeister von der Brot- und Käsetheke sowie Herr Ziesemann aus der Feinkostecke seit rund 25 Jahren. Kein Wunder, dass man die Kundschaft namentlich kennt.

    Etwa ein Viertel des Umsatzes wird aktuell durch Catering erwirtschaftet. Wer bei Familienfeiern oder Firmenfesten Büfetts von Ahrend offeriert, ist in der Regel prima bedient. Von mehreren namhaften Spezialitätengeschäften der Hansestadt, zumindest von den inhabergeführten, ist außer Ahrend kaum noch jemand geblieben. „Ich bin der letzte Dino“, sagt Mertens. Nach einer Talsohle registriert er seit mehreren Jahren Aufwind. Die Erkenntnis des Chefs, als Unternehmer ein kleiner König: „Erstklassiger Service und besondere Waren in einem persönlichen Umfeld entsprechen dem Zeitgeist.“

    Die Umsätze stimmen. Im kommenden Jahr, hoffen Olga Heffele und Olaf Mertens, kann der Kredit aus der Startphase 2011 abgelöst werden. Das ist dann ein gutes, ein beglückendes Gefühl.