s ist schon außergewöhnlich, wenn sich jemand am absehbaren Ende seiner Berufstätigkeit noch einmal auf einen Wechsel einlässt und etwas völlig Neues wagt. Im Alter von 61 Jahren ist Stanislaw Rowinski im Mai vom Museum für Kunst und Gewerbe (MKG) ans Internationale Maritime Museum (IMMH) gewechselt, wo er seither als Hauptkustos und Hauptkurator arbeitet. „Ich finde es außerordentlich reizvoll, meine Kompetenz und langjährige Museumserfahrung an dieser Stelle und in diesem Haus einbringen zu können, das durch die Persönlichkeit und die Ideale seines Gründers Peter Tamm so nachhaltig geprägt ist“, sagt Stanislaw Rowinski, der seit 1979 in Hamburg lebt und arbeitet.

    In Warschau geboren, wuchs er in einer bildungsbürgerlich geprägten Familie auf und studierte an der Fakultät für Konservierung und Restaurierung von Kunstwerken der Warschauer Akademie für Bildende Künste. Bei einem Hamburg-Besuch kam es 1977 zu einer fast schicksalhaften Begegnung mit Axel von Saldern, dem damaligen Direktor des Museums für Kunst und Gewerbe. „Ich war so beeindruckt von der charismatischen Persönlichkeit dieses Direktors und den Werten, die er verkörpert und gelebt hat, dass ich unbedingt dort arbeiten wollte“, erzählt Rowinski. Der Hamburger Museumsdirektor bot ihm spontan einen Job an, den er gleich nach Abschluss seines Studiums antreten konnte. So übernahm der frisch diplomierte Konservator am 1. Mai 1979 die Restaurierungswerkstatt des Museums für Kunst und Gewerbe, wo er 39 Jahre hindurch bedeutende Ausstellungen wie die legendäre Tutanchamun-Schau 1981 oder die Skythen-Ausstellung 2008 begleitet und betreut hat, darüber hinaus aber auch als Kurator tätig war.

    Eine entscheidende Wendung in seiner beruflichen Biografie markiert das Jahr 2017, als Rowinski in Absprache zwischen der Kulturbehörde und dem Vorstand des Museums für Kunst und Gewerbe einerseits und dem Stiftungsvorstand des Maritimen Museums anderseits als Gastkurator für den Aufbau und die Betreuung der Sonderausstellung „East meets West – Maritime Seidenstraße im 13. bis 17. Jahrhundert“ tätig war – die spektakulärste Schau, die bisher im Kaispeicher B gezeigt wurde. Beeindruckt von der Atmosphäre des Hauses, dem Gemeinschaftsgeist und dem hier gelebten Ziel, maritime Geschichte nicht nur als Spezialdisziplin, sondern als Weltgeschichte zu betrachten, zu bewahren und an künftige Generationen weiterzugeben, entschied sich der MKG-Mitarbeiter für einen Wechsel ans Internationale Maritime Museum.

    Aber versteht der Konservator und Kunstexperte, der im Jahr 2001 am Kunstinstitut der Polnischen Akademie der Wissenschaften promoviert wurde, auch etwas von Schiffen? Rowinski lacht und erzählt von seiner lebenslangen Affinität zum Meer. „Schon in meiner Kindheit bin ich mit meinen Eltern oft nach Sopot gefahren, um möglichst viel Zeit an der Ostsee zu verbringen. Schiffe haben mich immer fasziniert, und wenn ich heute über die Treppen des alten Kaispeichers laufe, die Schiffsmodelle sehe und die alten Holzdielen rieche, fühle ich mich glücklich“, sagt der neue Hauptkurator.

    Zugleich macht er deutlich, dass es ihm vor allem darum geht, die auf seine vielfältige Ausbildung gestützte jahrzehntelange Museumserfahrung und seine organisatorischen Kenntnisse und Leitungserfahrungen einzubringen, um das Maritime Museum weiterzuentwickeln. Das Aufgabenspektrum, dem er sich hier widmet, ist weit, es reicht von der Betreuung von Nachlässen über die Digitalisierung bis hin zu neuen Formen der Vermittlung. „Es gibt spannende Themen, die sich sowohl für die Aufbereitung in der Dauerausstellung als auch für Sonderausstellungen anbieten: von der Meeresarchäologie über ökologische Fragen bis hin zu geschichtlichen Darstellungen, die immer auch Bezüge zur Gegenwart haben. Etwa die Migrationsströme, die nicht erst heute zur Flucht über das Meer führten“, erklärt Stanislaw Rowinski, dem man angesichts seiner Begeisterung eigentlich kaum glauben mag, dass er tatsächlich schon etwa in vier Jahren in den Ruhestand treten wird.

    Von Matthias Gretzschel